Das Schicksal der Paladine - Gejagt (German Edition)
Vinjala lächelte froh und Tiana umarmte den überraschten Katmar sogar kurz. »Dann können wir ja direkt nach Nephara weiterreisen. Wann geht es los?«
»Gar nicht«, antwortete Katmar düster und berichtete knapp, was in Nephara geschehen war.
Die Mädchen waren bestürzt, Vinjala hatte sogar Tränen in den Augen. »Also müssen wir erst recht zurück und Meister Johann beistehen«, sagte Tiana trotzig.
Katmar schüttelte den Kopf. »Denk an den untoten Paladin in der Unterwelt. Wir hatten Jessica, Darius und Tristan dabei und konnten ihn dennoch nicht aufhalten. Wie sollen wir das dann ohne Paladine schaffen?«
»Wir können sie doch nicht im Stich lassen«, widersprach Tiana heftig. »Auch wenn wir dabei unser Leben riskieren.«
»Genau darum geht es«, erwiderte Katmar ruhig. »Jeder Paladjur, der den Nekromanten in die Hände fällt, wird als Untoter eine mächtige Waffe für sie. Das müssen wir verhindern. Irgendwann werden die Leichname der Paladine zerfallen, erst dann können wir zurückschlagen.
Wir haben einige Paladjur hergebracht, um die müssen wir uns nun kümmern und Kreuzstadt so lange wie möglich verteidigen, wenn die Stadt angegriffen wird. Ich sehe keinen anderen Weg.«
Tiana machte den Mund auf, um nochmals zu widersprechen, fügte sich dann aber und wischte sich Tränen aus den Augen.
Martin legte ihr tröstend einen Arm um die Schulter. »Wohin bringst du die Paladjur?«, fragte er an Katmar gewandt.
»Am besten in das Gasthaus, das der General besetzt hat.«
»Dann geht ihr schon mal, ich komme nach.« Ehe jemand fragen konnte, was er vorhatte, hob Martin die Hand zum Gruß und schob sich in die Menge auf dem Marktplatz. Die mahnenden Worte von Dalob gingen ihm nicht aus dem Kopf. Kreuzstadt auf eine Belagerung vorzubereiten war das eine, sich für den Fall zu wappnen, dass die Stadt fiel oder man beschloss, die Paladjur ans Messer zu liefern, das andere. Martin ging geradewegs zum Ogertrog zurück und trat ein.
Shurma blickte überrascht auf. »Du bist schon wieder da?« Sie lächelte erfreut.
Martin nickte ernst. »Ich brauche eure Hilfe.«
3
Tristan und Norwur erreichten die Stadt von Selrons Volk am späten Vormittag. Dass sie in der Stadt angelangt waren, bemerkte Tristan zunächst gar nicht, denn am Boden gab es keinerlei Hinweise darauf, abgesehen davon, dass der Pfad etwas breiter und ausgetretener wurde. Als plötzlich drei Vanamiri vor ihnen auf dem Boden landeten, erschrak Tristan zuerst und sah dann erstaunt auf, als sie ihn in der Stadt willkommen hießen.
Bei genauerem Hinsehen fiel ihm auf, dass die Bäume hier alle breitere Stämme hatten und weniger dicht beieinanderstanden, um ihren gewaltigen Kronen genug Platz zur Entfaltung zu bieten. Zwischen den Bäumen entdeckte Tristan bei genauerem Hinsehen gut getarnte Hängebrücken, ansonsten war die ganze Siedlung in den Baumkronen versteckt. Und vor allem war es ruhig. Was die Vanamiri eine Stadt nannten, hatte nichts mit den eng besiedelten, von Leben pulsierenden Siedlungen der Menschen zu tun.
Die drei Vanamiri führten sie zwischen den Bäumen hindurch. Tristan versuchte zu zählen, wie viele Bäume wohl zu der Stadt gehörten, doch es war schwer den Überblick zu behalten. Je weiter sie in die Stadt vordrangen, desto dichter wurde das Blätterwerk über ihnen. Fast schien es, als gingen die Kronen ineinander über, als sei alles nur ein einziger, riesiger Baum mit mehreren Stämmen.
All das verblasste, als schließlich vor ihnen ein majestätischer Baum aufragte, der alle anderen an Höhe und Dicke seines Stammes weit übertraf. Selbst die Mammutbäume aus Nordamerika, die Tristan mal im Fernsehen gesehen hatte, konnten da nicht mithalten.
»Wartet hier«, wies einer der drei Vanamiri sie an und zwei von ihnen sprangen nach oben. Die Krone lag hoch, aber der Stamm hatte niedrige Äste. Tristan hätte sicher nicht daran emporklettern können, doch die Vanamiri verfügten über eine große Sprungkraft und hüpften artistisch von Ast zu Ast, bis sie im Blätterdach verschwanden.
»Das ist der Lebensbaum, das Herz der Stadt«, erklärte Norwur leise. »Seine Wurzeln reichen bis zu jedem anderen Baum hier und auch tief in die Erde.«
»Wow – ich meine, beeindruckend«, stammelte Tristan, dem vom Nach-oben-Schauen schon der Nacken wehtat.
»Ihr solltet Evran einmal sehen«, entgegnete Norwur. »Dort leben die Vanajur, unsere Verwandten auf dem Kontinent, in einem Wald, der viele Lebensbäume beheimatet.
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