Das Schicksal des Highlanders
schon war sie zur Stelle. Ein Segen oder ein Fluch? Manchmal ist Gottes Hilfe am nächsten, wenn die Not am größten ist, aber ich kann es mir nicht leisten, das in diesem Fall zu glauben. Es steht zu viel auf dem Spiel.«
»Vielleicht solltet Ihr sie wegschicken.«
»Das sollte ich wohl tun. Sie hat sogar gesagt, dass sie uns verlassen würde, sobald Nigel sie nicht mehr braucht. Mein Verstand sagt mir, dass es das Beste wäre, aber alles andere in mir will sie unbedingt hierbehalten. Ich fürchte, ich habe aus den vielen Torheiten meines Vaters nichts gelernt. Ich will das Mädchen haben und kann an nichts anderes denken.«
»Aber Ihr denkt trotzdem an so manches andere. Ihr wisst zum Beispiel, dass sie Geheimnisse hat und dass es Fragen gibt, die beantwortet werden müssen.«
»Das stimmt.« Balfour schnitt eine Grimasse. »Aber wenn ich in ihrer Nähe bin, denke ich überhaupt nicht daran.«
»Dann übernehme ich das für Euch.«
Einen Moment lang zögerte Balfour, dann nickte er. »Mein Stolz meint zwar, dass ich es selbst tun könnte, doch zum Glück überwiegt im Moment mein Verstand. Ich bin vernarrt in dieses Mädchen. Ich kann mich nicht darauf verlassen, das zu tun, was getan werden muss. Also sieh zu, was du herausfinden kannst. Sie tauchte in einem Moment auf, in dem wir sie brauchten, aber es sind kriegerische Zeiten. Sie könnte ein schöner, gnädiger Engel sein, aber auch eine Viper, die unsere Feinde in unser Lager eingeschleust haben. Maldie Kirkcaldy birgt viele Geheimnisse. Sie müssen aufgedeckt werden. Nimm dir nicht zu viel Zeit dazu, alter Freund. Ich muss nämlich zugeben, das grünäugige junge Mädchen bringt mein Blut in Wallung und verdreht mir den Kopf. Finde die Wahrheit rasch heraus, bevor ich so betört bin, dass ich nichts Böses mehr von ihr glauben kann.«
4
»Du pflegst mich ganz ausgezeichnet, Mädchen«, meinte Nigel, als Maldie ihm half, sich aufzusetzen, und ihm fürsorglich ein paar dicke Kissen in den Rücken stopfte. »Wenn du nicht aufgetaucht wärst und mir geholfen hättest, wäre ich gestorben.«
Maldie verzog das Gesicht, als sie spürte, wie Nigels Arm sich um ihre Taille schlang. Er hatte nun seit fünf Tagen kein Fieber mehr, und mit jedem Tag hatte sein Interesse an ihr beunruhigend zugenommen. Sobald er kräftig genug war, die Arme zu bewegen, hatte er angefangen, sie zu berühren. Es waren beiläufige, scheinbar unschuldige Berührungen, für die man sicher eine harmlose Erklärung finden konnte, aber sie wurden immer häufiger. Und wann immer sein Blick auf Maldie fiel, schimmerte in seinen bersteingelben Augen viel zu viel Wärme.
Als sie sich ihm unauffällig entzog und zum Tisch neben dem Fenster ging, um ein Tablett mit Essen zu holen, dachte sie gereizt, das Letzte, was sie jetzt brauchte, wäre ein weiterer Murray, der versuchte, sie in sein Bett zu locken. Nigel war sehr viel höflicher in seinen Bemühungen als Balfour, und Maldie ärgerte sich schon fast, dass sie nicht die Spur eines Interesses an dem jüngeren Murray hatte. Nigel behandelte sie wie eine richtige Lady und schmeichelte ihr sehr viel geschickter als Balfour; obendrein sah er extrem gut aus. Dennoch ließ sie sein Interesse völlig kalt.
»Ich fürchte, ich brauche deine freundliche Hilfe bei diesem Eintopf«, meinte Nigel, als sie das Tablett auf seinem Schoß abstellte.
Sie musterte ihn argwöhnisch, setzte sich aber doch an die Bettkante und begann, ihn mit dem nahrhaften Wildeintopf zu füttern. In der Hand, die er müßig auf ihrem Knie abgelegt hatte, spürte sie keine Schwäche. Wahrscheinlich hätte er ihre Hilfe beim Essen nicht gebraucht, aber sie beschloss, ihm sein Spiel durchgehen zu lassen. Er war von dem starken Fieber tatsächlich noch ziemlich geschwächt. Es hätte ja sein können, dass er befürchtete, die Kraft, die er allmählich wieder sammelte, würde ihn während des Essens verlassen, und dann sähe er sich außerstande, selbstständig weiterzuessen; vielleicht hatte er auch nur Angst zu kleckern. Immerhin verhielt er sich völlig harmlos. Es bestand also kein Grund, ihm seine Bitte abzuschlagen.
»Warum suchst du eigentlich hier in der Gegend nach deinen Verwandten?«, fragte er, als sie ihm eine Scheibe Brot in Häppchen schnitt. »Der Clan der Kirkcaldys haust doch ganz woanders.«
»Richtig, aber ich wollte mich nicht direkt an sie wenden«, erwiderte sie.
»Warum nicht?« Er hustete ein wenig, als sie ihm ein etwas zu großes Stück Brot in
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