Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
sind die Nebenwirkung der unermüdlichen Mutation, die die Vielfalt des Lebens auf der Erde ermöglicht. Im Verlauf der Geschichte wird sie immer kränker, Therapien und Krankheit liegen im Wettstreit, wer sie zuerst umbringt, und ihre Mutter verliebt sich in einen holländischen Tulpenhändler, den Anna den Tulpenholländer nennt. Der Tulpenholländer hat jede Menge Geld und sehr exzentrische Ideen, wie man Krebs behandeln müsste, aber Anna hat den Verdacht, dass er ein Hochstapler ist und vielleicht nicht mal Holländer, und dann, gerade als der Pseudo-Holländer und ihre Mutter heiraten wollen und Anna diese verrückte neue therapeutische Diät anfangen soll, die Weizengras und niedrige Dosen Arsen beinhaltet, endet das Buch mitten im
Ich weiß, es ist eine sehr literarische Erzählentscheidung und so weiter und wahrscheinlich mit der Grund, warum ich das Buch so liebe. Andererseits spricht auch manches dafür, dass Geschichtenein richtiges Ende haben. Und wenn sie schon kein Ende haben, dann sollten sie wenigstens bis in alle Ewigkeit weitergehen wie die Abenteuer des Staff Sergeant Max Mayhem und seiner Kumpane.
Ich verstand natürlich, dass die Geschichte einfach so endete, weil Anna starb oder zu krank wurde, um weiterzuschreiben, und dass der Abbruch mitten im Satz reflektieren sollte, wie auch ihr Leben einfach abbrach, aber neben Anna gab es noch andere Figuren in der Geschichte, und ich fand es ziemlich unfair, dass ich nie herausfinden sollte, was aus ihnen wurde. Über den Verlag hatte ich ein Dutzend Briefe an Peter Van Houten geschrieben und ihn um ein paar Antworten gebeten, was nach dem Ende der Geschichte passierte: ob der Tulpenholländer ein Hochstapler ist, ob Annas Mutter ihn wirklich heiratet, was mit Annas blödem Hamster passiert (den ihre Mutter nicht leiden kann), ob Annas Freunde die Schule schaffen – das ganze Zeug. Aber er hat keinen meiner Briefe beantwortet.
Ein herrschaftliches Leiden war das einzige Buch, das Peter Van Houten geschrieben hatte, und alles, was man über ihn wusste, war, dass er nach dem Erscheinen des Buchs aus den USA in die Niederlande übersiedelte und sich total zurückzog. Ich stellte mir vor, dass er an einer Fortsetzung arbeitete, die in den Niederlanden spielte – vielleicht zogen Annas Mutter und der Tulpenholländer dorthin und versuchten ein neues Leben anzufangen. Aber seit dem Erscheinen von Ein herrschaftliches Leiden waren zehn Jahre vergangen, und Van Houten hatte nicht mal einen Blog-Post veröffentlicht. Ich konnte nicht ewig warten.
Als ich das Buch an diesem Abend wieder zu lesen anfing, wurde ich ständig von dem Gedanken abgelenkt, dass Augustus Waters vielleicht gerade die gleichen Wörter las. Ich fragte mich, ob es ihm gefiel oder ob er es zu hochtrabend fand. Dann erinnerte ich mich an mein Versprechen, ihn anzurufen, sobald ich Preis der Morgenröte gelesen hätte, und so schlug ich das Buch mit seiner Nummer auf und schickte ihm eine SMS.
Urteil über Preis der Morgenröte: zu viele Leichen. Zu wenig Adjektive. Wie ist EhL?
Er antwortete eine Minute später: Soweit ich mich erinnere, hast du versprochen ANZURUFEN, wenn du es gelesen hast, nicht zu simsen.
Also rief ich an.
»Hazel Grace«, sagte er.
»Hast du es schon gelesen?«
»Na ja, ich bin noch nicht ganz durch. Es hat 651 Seiten, und ich habe es erst seit achtundvierzig Stunden.«
»Wie weit bist du?«
»Hm«, er zögerte. »453.«
»Und?«
»Ich werde mein Urteil erst abgeben, wenn ich durch bin. Aber ich kann schon mal sagen, dass mir Preis der Morgenröte jetzt ein bisschen peinlich ist.«
»Muss dir nicht peinlich sein. Ich bin schon bei Requiem für Mayhem .«
»Ein weiterer Höhepunkt der Serie. Also, okay, ist der Tulpentyp ein Gauner? Irgendwie hat er schlechte Vibes.«
»Ich verrate nichts«, sagte ich.
»Falls er sich nicht auf ganzer Linie wie ein echter Gentleman verhält, steche ich ihm die Augen aus.«
»Dann findest du es also spannend?«
»Keine Vorschusslorbeeren! Wann kann ich dich sehen?«
»Auf jeden Fall nicht, bevor du EhL fertig hast.« Es machte Spaß, mich rar zu machen.
»Dann lege ich jetzt besser auf und lese weiter.«
»Ja, tu das«, sagte ich, und es klickte in der Leitung, ohne dass er noch ein Wort sagte.
Flirten war etwas Neues für mich, aber es machte Spaß.
Am nächsten Morgen hatte ich am College eine Vorlesung über amerikanische Lyrik des 20. Jahrhunderts. Eine alte Dame, die früher an der Indiana-University
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