Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
hatte, aber was mir am besten gefiel war, dass seine Abenteuer immer weitergingen . Es gab immer noch mehr Böse, die er umbringen musste, immer noch mehr Gute, die er retten musste. Neue Kriege brachen aus, bevor die alten gewonnen waren. Seit ich klein war, hatte ich keine Fortsetzungsgeschichte mehr gelesen, und es war herrlich, wieder in einer endlosen Fantasiewelt zu leben.
Zwanzig Seiten vor dem Ende von Mitternachtsdämmerung begann es ziemlich übel für Mayhem auszusehen, der mit siebzehn Kugeln im Körper versuchte, dem Feind eine (blonde, amerikanische) Geisel zu entreißen. Doch als Leserin verzweifelte ich nicht. Die Kriegsanstrengungen würden auch ohne ihn weitergehen. Es konnte – und würde – Fortsetzungen mit seinen Kohorten geben: Spezialist Manny Loco und Private Jasper Jacks und dem Rest.
Ich war so gut wie am Ende, als ein kleines Mädchen mit Zöpfen und Haarspangen vor mir auftauchte und mich fragte: »Was hast du da in der Nase?«
Und ich sagte: »Das ist ein Sauerstoffschlauch. Der versorgt mich mit Sauerstoff und hilft mir beim Atmen.« Im nächsten Moment war ihre Mutter da und rief mahnend: »Jackie«, aber ich sagte: »Nein, nein, schon gut«, weil es überhaupt kein Problem für mich war, und Jackie fragte: »Kann es mir auch beim Atmen helfen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Probieren wir es aus.« Ich nahm den Schlauch ab und ließ Jackie sich die beiden Stöpsel in die Nase stecken und atmen. »Es kitzelt«, sagte sie.
»Ja, oder?«
»Ich glaube, ich kann schon besser atmen«, sagte sie.
»Wirklich?«
»Ja.«
»Ich wünschte, ich könnte dir meinen Sauerstoffschlauch schenken«, sagte ich, »aber ich brauche wirklich seine Hilfe.« Ich spürte den Sauerstoffmangel bereits. Ich konzentrierte mich aufs Atmen, bis Jackie mir die Schläuche zurückgab. Dann wischte ich einmal kurz mit dem T-Shirt darüber, flocht mir die Schläuche hinter die Ohren und steckte mir die Stöpsel in die Nasenlöcher.
»Danke, dass ich probieren durfte«, sagte sie.
»Gern geschehen.«
»Jackie«, sagte ihre Mutter wieder, und diesmal ließ ich sie gehen.
Ich vertiefte mich wieder in das Buch, in dem Staff Sergeant Max Mayhem bedauerte, nur ein Leben zu haben, das er für sein Land opfern konnte, aber ich dachte immer noch an das kleine Mädchen und daran, wie sympathisch es mir gewesen war.
Das andere Problem bei Kaitlyn war, schätze ich, dass unsere Gespräche sich nie mehr natürlich anfühlen würden, und jeder Versuch, freundschaftliche Normalität vorzutäuschen, war deprimierend, denn es war so schreiend offensichtlich, dass jeder, mit dem ich für den Rest meines Leben sprechen würde, gehemmt und verlegen wäre, außer vielleicht Kinder wie Jackie, die es einfach nicht besser wussten.
Außerdem war ich wirklich gerne allein. Ich war gern allein mit dem armen Staff Sergeant Max Mayhem, der – ach, komm schon, siebzehn Kugeln in seinem Körper kann er doch unmöglich überleben, oder?
(Spoilerwarnung II: Er überlebt.)
KAPITEL VIER
An diesem Abend legte ich mich etwas früher hin. Ich zog mir Boxershorts und ein T-Shirt an und kroch in mein Bett, das breit und voll mit Kissen war und einer meiner Lieblingsorte auf der Welt. Und dann begann ich zum millionsten Mal Ein herrschaftliches Leiden zu lesen.
In Ein herrschaftliches Leiden ging es um ein Mädchen namens Anna (die Erzählerin der Geschichte) und ihre einäugige Mutter, die Gärtnerin von Beruf ist und eine Schwäche für Tulpen hat, und um das ganz normale Leben der unteren Mittelschicht in einer kalifornischen Kleinstadt, das die beiden führen bis zu dem Tag, als Anna eine seltene Form von Blutkrebs bekommt.
Aber es ist kein Krebsbuch , denn Krebsbücher sind doof. In Krebsbüchern gründen die Krebshelden zum Beispiel immer irgendeine Wohltätigkeitsorganisation, um Geld für die Krebsforschung zu sammeln. Und das Engagement führt dem Krebshelden die eigentliche Güte der Menschen vor Augen, und er oder sie fühlt sich geliebt und gebraucht, weil er oder sie der Welt etwas hinterlässt, was irgendwann Krebs heilen wird. Doch in EhL findet Anna, dass es ziemlich selbstbezogen ist, als Krebspatient eine Krebsorganisation zu gründen, und deshalb gründet sie eine Einrichtung mit dem Namen Anna-Stiftung der Krebspatienten gegen die Cholera.
Außerdem ist Anna ehrlich, und zwar auf eine Art, wie es sonst niemand ist. Sich selbst bezeichnet sie im ganzen Buch als Nebenwirkung , was total stimmt. Krebskinder
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