Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
rauchenden Reifen um die Ecke auf den irreführend benannten Grandview Drive (mit Blick auf den Golfplatz, aber grandios war die Aussicht nicht). Das Einzige, was mir in der Richtung einfiel, war der Friedhof. Augustus griff in die Mittelkonsole, klappte ein volles Päckchen Zigaretten auf und nahm eine heraus.
»Wirfst du sie danach weg?«, fragte ich ihn.
»Einer der vielen Vorteile des Nichtrauchens ist, dass Zigarettenpäckchen ewig halten«, antwortete er. »Das hier habe ich seit fast einem Jahr. Ein paar sind am Filter gebrochen, aber ich glaube, das Päckchen hält locker bis zu meinem achtzehnten Geburtstag.« Er hielt den Filter zwischen den Fingern, dann steckte er ihn in den Mund. »Okay«, sagte er. »Also. Nenn mir ein paar Dinge, die du in Indianapolis nie zu sehen bekommst.«
»Hm. Dünne Erwachsene«, sagte ich.
Er lachte. »Gut. Mach weiter.«
»Also. Strände. Restaurants im Familienbetrieb. Topographie.«
»Alles perfekte Beispiele der Dinge, die uns fehlen. Außerdem: Kultur.«
»Ja, an Kultur sind wir hier wirklich ein bisschen knapp«, sagte ich, und dabei dämmerte mir endlich, wo er mich hinbrachte. »Gehen wir ins Museum?«
»Gewissermaßen.«
»Oh, dann gehen wir in diesen Park, oder was das ist?«
Gus sah mich enttäuscht an. »Ja, wir gehen in diesen Park, oder was das ist«, sagte er. »Ja. Genau, da gehen wir hin. Du weißt, was los ist, oder?«
»Was ist denn los?«
»Nichts.«
Hinter dem Kunstmuseum gab es einen Park, in dem ein paar Künstler Skulpturen errichtet hatten. Ich hatte davon gehört, war aber noch nie dort gewesen. Wir fuhren am Museum vorbei und parkten direkt neben einer Art Basketballfeld, auf dem riesige blaue und rote Stahlbögen den Weg des springenden Balls nachzeichneten.
Dann schlenderten wir einen flachen Hang hinunter, der in Indianapolis schon als Hügel durchging, zu einer Lichtung, wo ein riesiges überdimensioniertes Skelett im Gras lag, auf dem Kinder herumkletterten. Die Knochen waren ungefähr hüfthoch¸ und die Schenkelknochen waren länger als ich. Es sah aus wie die Kinderzeichnung eines Skeletts, das aus dem Boden wuchs.
»Funky Bones« , sagte Augustus. »Von Joep Van Lieshout.«
»Klingt holländisch.«
»Ist er auch«, sagte Gus. »Genau wie Rik Smits. Genau wie Tulpen.« Gus blieb in der Mitte der Lichtung stehen, direkt vor den Knochen, und nahm bedächtig den Rucksack ab. Dann machte er den Reißverschluss auf und nahm eine orangene Decke heraus, eine Flasche Orangensaft und ein paar in Zellophan gewickelte Sandwiches ohne Kruste.
»Wozu das ganze Orange?«, fragte ich, weil ich immer noch nicht wagte, mir vorzustellen, dass all das nach Amsterdam führen könnte.
»Die holländische Nationalfarbe, ist doch klar. Du erinnerst dich an Wilhelm von Oranje und die ganze Geschichte?«
»Kam im Hochschulreifetest nicht vor.« Ich grinste, doch ich versuchte, die Aufregung zu unterdrücken.
»Sandwich?«, fragte er.
»Lass mich raten«, sagte ich.
»Holländischer Käse. Mit Tomaten. Die Tomaten sind aus Mexiko. Tut mir leid.«
»Du bist immer für eine Enttäuschung gut, Augustus. Hättest du nicht wenigstens orangene Tomaten besorgen können?«
Er lachte, und dann aßen wir schweigend unsere Sandwiches und sahen den Kindern zu, die auf der Skulptur herumkletterten. Ich konnte ihn schlecht fragen , also saß ich einfach nur da, umgeben von all dem Niederländischen, und war verlegen und hoffnungsvoll zugleich.
Nicht weit von uns schien das makellose Sonnenlicht, das so rar ist in unserer Heimatstadt, auf eine Schar von Kindern, die aus einem Skelett einen Spielplatz gemacht hatten und zwischen prothetischen Knochen hin und her sprangen.
»Zwei Sachen, die ich an dieser Skulptur liebe«, erklärte Augustus. Er hielt die unangezündete Zigarette zwischen den Fingern und schnippte damit, als wollte er die Asche abklopfen. Dann schob er sie sich wieder zwischen die Lippen. »Erstens sind die Knochen haargenau so weit voneinander entfernt, dass jedes Kind den unwiderstehlichen Drang verspürt, zwischen ihnen hin und her zu springen. Man muss einfach vom Brustkorb zum Schädel hüpfen und wieder zurück. Was bedeutet, dass, zweitens, die Skulptur im Grunde Kinder dazu zwingt, auf Knochen zu spielen. Die symbolischen Deutungsmöglichkeiten sind unendlich, Hazel Grace.«
»Du hast eine Schwäche für Symbole«, sagte ich und hoffte, das Gespräch damit wieder zurück zu den vielen Symbolen der Niederlande bei unserem Picknick
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