Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
bereits gefrühstückt hatten, als mir Van Houten das Wort abschnitt. »Es ist viel zu früh fürs Frühstück, Lidewij.«
»Aber sie kommen aus Amerika, Peter, ihr Körper denkt, es wäre schon Mittag.«
»Dann ist es zu spät für Frühstück«, erwiderte er. »Aber wenn der Körper denkt, dass Mittag ist, welcher auch immer, könnten wir uns einen Cocktail genehmigen. Trinkst du Scotch?«, fragte er mich.
»Ob ich …? O nein, vielen Dank«, sagte ich.
»Augustus Waters?«, fragte Van Houten und nickte Gus zu.
»Äh, nein danke.«
»Dann nur für mich, Lidewij. Einen Scotch und Soda, bitte.« Peter wandte sich wieder an Gus. »Weißt du, wie wir hier Scotch und Soda machen?«
»Nein, Sir«, sagte Gus.
»Wir schenken Scotch in ein Glas und denken fest an Sodawasser, und dann mischen wir den konkreten Scotch mit der abstrakten Idee von Sodawasser.«
Lidewij sagte: »Vielleicht zuerst ein bisschen Frühstück, Peter.«
Er sah uns an und flüsterte theatralisch: »Sie glaubt, ich hätte ein Alkoholproblem.«
»Und ich glaube, dass gerade erst die Sonne aufgegangen ist«, antwortete Lidewij. Trotzdem ging sie zur Bar im Wohnzimmer, griff nach einer Flasche Scotch und schenkte ein Glas halb voll ein. Sie brachte es ihm. Peter Van Houten trank einen Schluck, dann setzte er sich in seinem Sessel auf. »Ein guter Drink verdient die beste Haltung«, sagte er.
Mir wurde meine eigene Haltung bewusst, und ich richtete mich ein wenig auf. Ich rückte den Sauerstoffschlauch zurecht. Mein Vater sagte immer, dass man Menschen daran messen kann, wie sie mit Kellnern und Assistenten umgehen. Danach war Peter Van Houten möglicherweise der bescheuertste Depp der Welt. »Euch hat also mein Buch gefallen«, sagte er zu Augustus, nachdem er einen weiteren Schluck getrunken hatte.
»Ja«, sagte ich, indem ich für Augustus antwortete. »Und ja, wir – also, Augustus – er hat sie kennenzulernen zu seinem Herzenswunsch gemacht, damit wir kommen konnten, damit sie uns erzählen können, was nach dem Ende von Ein herrschaftliches Leiden passiert.«
Van Houten sagte nichts, sondern trank nur einen großen Schluck Scotch.
Nach einer Weile sagte Augustus: »Ihr Buch hat uns sozusagen zusammengeführt.«
»Aber ihr seid nicht zusammen«, stellte Van Houten fest, ohne mich anzusehen.
»Beinahe zusammengeführt«, sagte ich.
Jetzt sah er mich an. »Hast du dich mit Absicht wie sie angezogen?«
»Anna?«
Er starrte mich nur an.
»Vielleicht«, sagte ich.
Er trank noch einen großen Schluck und verzog das Gesicht. »Ich habe kein Alkoholproblem«, verkündete er überflüssig laut. »Ich habe die gleiche Beziehung zum Trinken wie Churchill: Ich zehre mehr vom Alkohol als der Alkohol von mir.« Er sah Lidewij an und nickte zu seinem Glas. Sie nahm es und ging damit zurück zur Bar. »Nur einen Hauch vonSoda, Lidewij«, wies er sie an.
»Schon klar«, antwortete sie, und diesmal klang sie fast wie eine Amerikanerin.
Der zweite Drink kam. Wieder drückte Van Houten respektvoll das Kreuz durch. Er streifte die Pantoffeln ab. Er hatte wirklich hässliche Füße. Irgendwie machte er das Konzept des Schriftstellergenies für mich ziemlich kaputt. Trotzdem, er hatte die Antworten.
»Also«, begann ich, »zuerst möchten wir uns herzlich für das Abendessen gestern bedanken, und …«
»Wir haben sie gestern zum Abendessen eingeladen?«, fragte Van Houten Lidewij.
»Ja, im Oranjee.«
»Aha. Also, ihr könnt mir glauben, wenn ich sage, dass ihr nicht mir, sondern Lidewij zu danken habt, die äußerst talentiert darin ist, mein Geld auszugeben.«
»Es war uns ein Vergnügen«, sagte Lidewij.
»Trotzdem danke«, sagte Augustus. Ich hörte ihm an, dass er sich ärgerte.
»Da bin ich«, sagte Van Houten nach einem Moment. »Was habt ihr für Fragen?«
»Hm«, begann Augustus.
»Wenn er schreibt, wirkt er so intelligent«, sagte Van Houten zu Lidewij. »Vielleicht hat der Krebs auf sein Gehirn übergegriffen.«
»Peter«, rief Lidewij mit angemessenem Entsetzen.
Ich war auch entsetzt, aber irgendwie war es auch erfrischend, vor einem Kerl zu sitzen, der so widerlich war, dass er nicht mal uns gegenüber höflich war. Peter Van Houten war ein derart egozentrischer Fiesling, dass ihn nicht scherte, ob wir Krebs hatten, und unwillkürlich mochte ich ihn dafür. »Wir haben wirklich ein paar Fragen«, sagte ich. »Ich habe sie in meiner E-Mail angesprochen. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern.«
»Ich erinnere mich
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