Das Schicksal ist ein mieser Verräter (German Edition)
frustriert. »Ich wäre dir so gern genug, aber es reicht dir nie. Nichts ist dir genug. Aber das ist alles, was du kriegst. Du kriegst mich und deine Familie und diese Welt. Das ist dein Leben. Tut mir leid, wenn du es scheiße findest. Aber du wirst niemals der erste Mensch auf dem Mars sein, und du wirst kein NBA-Star, und du wirst auch keine Nazis zur Strecke bringen. Sieh dich an, Gus.« Er antwortete nicht. »Ich meinte nicht …«, begann ich.
»O doch, genau das meinst du«, unterbrach er mich. Ich wollte mich entschuldigen, aber er sagte: »Nein, mir tut es leid. Du hast recht. Lass uns spielen.«
Und so spielten wir einfach.
KAPITEL ACHTZEHN
Ich wachte auf, weil mein Handy ein Lied von The Hectic Glow sang. Gus’ Lieblingslied. Ich warf einen Blick auf den Wecker. 2:35 Uhr morgens. Er ist tot , dachte ich, und alles in mir brach zusammen.
Ich schaffte es kaum, ein Hallo herauszukrächzen.
Dann wartete ich auf den Klang der Stimme eines zerstörten Elternteils.
»Hazel Grace«, sagte Augustus schwach.
»O Gott sei Dank, du bist es. Hallo. Hallo, ich liebe dich.«
»Hazel Grace, ich bin an der Tankstelle. Es stimmt was nicht. Du musst mir helfen.«
»Was? Wo bist du?«
»An der Schnellstraße zwischen der 68. Straße und der Ditch Road. Ich habe irgendwas mit der PEG-Sonde falsch gemacht, und ich kapier nicht, was, und …«
»Ich rufe den Notarzt«, sagte ich.
»Nein, nein, nein, nein, nein, dann bringen sie mich ins Krankenhaus. Hazel, hör mir zu. Ruf weder den Notarzt noch meine Eltern ich verzeih dir das nie tu es nicht bitte komm einfach und reparier meine verdammte PEG-Sonde. Ich bin nur, Mann, das ist so bescheuert. Ich will nicht, dass meine Eltern mitkriegen, dass ich weg bin. Bitte. Ich habe die Medikamente dabei; ich kriege sie nur nicht rein. Bitte.« Er weinte. Ich hatte ihn noch nie so weinen hören, außer damals draußen vor seiner Tür, vor Amsterdam.
»Okay«, sagte ich. »Ich fahre sofort los.«
Ich setzte das BiPAP ab und steckte mir die Sauerstoffstöpsel in die Nase, stellte die Sauerstoffflasche auf den Wagen und zog Turnschuhe an, zu meiner rosa Pyjamahose und dem Butler-Basketball-T-Shirt, das mal Gus gehört hatte. Dann nahm ich den Autoschlüssel aus der Küchenschublade, wo Mom ihn aufbewahrte, und schrieb einen Zettel für den Fall, dass meine Eltern aufwachten, während ich fort war.
Muss zu Gus. Ist wichtig. Tut mir leid. Alles Liebe, H.
Während ich die paar Kilometer zu der Tankstelle fuhr, wurde ich wach genug, um mich zu fragen, warum Gus mitten in der Nacht das Haus verlassen hatte. Vielleicht hatte er Halluzinationen, oder seine Märtyrerfantasien hatten überhandgenommen.
Mit hohem Tempo fuhr ich die Ditch Road hinunter, an blinkenden gelben Ampeln vorbei, zum Teil, weil ich schnell zu ihm wollte, zum Teil, weil ich hoffte, die Polizei würde mich anhalten und mir den Vorwand liefern, jemandem zu erzählen, dass mein sterbender Freund mit einer defekten PEG-Sonde an einer Tankstelle stand. Aber es kam kein Polizist, um mir die Entscheidung abzunehmen.
Auf dem Parkplatz standen nur zwei Wagen. Ich stellte mich neben ihn. Ich öffnete die Tür. Das Licht ging an. Augustus saß auf dem Fahrersitz. Er hatte sich vollgekotzt und drückte die Hände an den Bauch, wo die PEG-Sonde war. »Hallo«, murmelte er.
»O Gott, Augustus, wir müssen dich ins Krankenhaus bringen.«
»Bitte sieh du es dir an.« Von dem Gestank musste ich würgen, doch ich beugte mich runter und sah mir die Stelle über dem Bauchnabel an, wo sie ihm den Schlauch eingepflanzt hatten. Ich war kein Arzt, aber die Haut war heiß und leuchtend rot.
»Gus, ich glaube, da ist was entzündet. Ich kann das nicht reparieren. Was machst du hier? Warum bist du nicht zu Hause?« Er musste sich übergeben und hatte nicht mal die Kraft, von seinem Schoß wegzuzielen. »O Liebster«, sagte ich.
»Ich wollte Zigaretten kaufen«, keuchte er. »Ich hab mein Päckchen verloren. Oder sie haben’s mir weggenommen. Ich weiß nicht. Sie haben gesagt, sie holen mir ein neues, aber ich wollte … selber. Eine Sache selber machen.«
Er starrte vor sich hin. Schweigend nahm ich mein Handy raus und sah aufs Display, um den Notarzt zu rufen.
»Tut mir leid«, sagte ich zu ihm. Hier ist der Notarzt, was ist passiert? »Hallo, ich bin auf der Schnellstraße Ecke 68. und Ditch Road, und ich brauche einen Krankenwagen. Die Liebe meines Lebens hat eine kaputte PEG-Sonde.«
Er sah zu mir hoch.
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