Das Schiff aus Stein
den Tönen zu, die mit jedem seiner Atemzüge aus der Flöte hervorstiegen.
Sein Blick wanderte weiter zu den Glasinseln vor ihnen und im selben Moment löste sich die Flut auf.
Das schwarze Fort
In der Akademie war es tiefe Nacht.
Erschöpft sahen die Lehrlinge einander an. Jeder von ihnen spürte die Wogen und das Schaukeln im Körper, und sie sehnten sich nach Schlaf. Also machten sich alle sofort auf den Weg in ihre Zimmer in Meister Otomos Haus.
Bent stand schon auf der Treppe zum oberen Stockwerk, als er sich noch mal umdrehte und No zugrinste: »Das war klasse, mit dir zusammen das Schiff unter die Lupe zu nehmen. Du hast wirklich ein Auge für Technik!«
»Technik ist einfach der Hammer!«, strahlte No zurück. »Ich freue mich schon, wenn wir den Glasmacher noch mal richtig in Aktion erleben sollten. Und hoffentlich bekommen wir auch die Einfahrt in den Hafen richtig mit, das muss toll sein, auf diesem Schiff ein Anlegemanöver mitzuerleben.«
Die beiden klatschten sich ab. Dann trennten sie sich.
Rufus, Filine und No gingen in ihr Zimmer.
»Na, hast du einen neuen Freund?«, erkundigte sich Filine etwas spitz bei No.
»Es macht einfach Spaß, mit Bent über Technik und Handwerk zu reden. Er hat eine ganze Menge Ahnung.«
»Aber vertraust du ihm denn?«, wollte Filine wissen.
»Wieso denn nicht? Die Flut läuft doch gut, nachdem wir uns erst mal zusammengerauft haben.«
»Aber er ist sonst immer mit Coralia zusammen.«
»Mann, Fi!« No sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. »Das kannst du ihm doch nicht für immer und ewig zum Vorwurf machen. Er ist doch schließlich nicht ihr bester Freund oder so. Ich meine, okay, das Schwert hat er bestimmt von ihr, aber deswegen macht es trotzdem Spaß, sich mit ihm darüber auszutauschen. Ich muss doch nicht gegen ihn sein, nur weil er was mit Coralia zu tun hat.«
»Stimmt«, sagte Filine. »Das wäre blöd. Trotzdem traue ich ihm und Anselm nicht wirklich.« Sie sah zu Rufus. »Was denkst du denn darüber?«
Rufus überlegte. Aus gutem Grund traute er Bent und Anselm kein bisschen und doch verstand er No, dass er gerne mit Bent zusammen war. Bent war ja schließlich nicht nur Coralias Helfershelfer, sondern auch ein ganz normaler Lehrling, der sich zufällig für dieselben Dinge begeisterte wie No. Und Anselm klebte eben einfach an Bent dran. Eigentlich hätte Rufus die beiden gerne gefragt, wie es gekommen war, dass sie so unter Coralias Fuchtel standen.
Er blickte zu Filine. »Jetzt waren sie doch in der Flut eigentlich ganz in Ordnung«, sagte er ausweichend.
Filine schwieg.
»Und Anselm«, fuhr No fort, »interessiert sich sehr für Musik. Das hat er mir auf dem Schiff erzählt, als der Sklave auf der Flöte gespielt hat. Er interessiert sich besonders für Sphärenmusik. Deswegen war er damals auch so erstaunt, als ich den Klang der Glocke in den Gewölben sofort erkannt habe.«
»Was ist denn Sphärenmusik?«, fragte Rufus erstaunt.
»Na, so eine antike griechische Vorstellung, dass das ganze Weltall nicht nur aus Nichts und ein paar Planeten und Sternen, sondern dazu auch noch aus unsichtbaren Kugeln besteht, auf deren Bahnen sich die Himmelskörper bewegen. Und bei dieser Bewegung sollen je nach Geschwindigkeit und Abstand der Himmelskörper zueinander eben Töne entstehen, die alle zusammen die schönste Musik ergeben! Das soll die angeblich harmonischste Musik sein, die es überhaupt gibt.«
»Eine schöne Idee!«, gab Rufus zu.
»Ich hoffe trotzdem, dass du nicht auch noch zu einem von Coralias Fans wirst«, sagte Filine missmutig.
»Aber Fili, jetzt bleib mal locker. Nur, weil ich mit den beiden zusammenarbeite, bin ich doch kein Fan von Coralia.«
»Ich weiß nicht.« Filine schüttelte den Kopf und ihre mausfarbenen Haare flogen um die Stirn. »Ich bin irgendwie die Einzige in der ganze Flutgruppe, die keine neuen Freunde gewinnt. Du hängst dauernd mit Bent und Anselm zusammen und Rufus und Oliver haben ihre Zeichenblöcke. Und ich darf die ganze Zeit nur lesen.«
»Aber das ist doch das Tolle an so einer Flutgruppe«, versuchte No sie zu trösten. »Dass wir auch mal mit anderen zusammenkommen, uns austauschen und unseren Horizont erweitern. Was sagt du denn dazu, Rufus?«
»Ich, ach …«
Rufus hätte seinen beiden Freunden gerne gesagt, was mit dem Kopf der Nike geschehen war, aber er hatte den Meistern hoch und heilig versprochen zu schweigen. Er hätte ihnen auch gerne von der Kraft des Wendelrings berichtet und
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