Das Schiff der Hoffnung
Drei Tage im voraus. Prego.«
Und wieder zahlte Hellberg.
Dann lagen sie alle drei erschöpft im Bett, machten sich gar nicht die Mühe, sich auszuziehen, sondern sanken so, wie sie waren, auf die Decken.
»Meine Füße …«, sagte Marion. Dann schlief sie ein, als habe man sie betäubt.
Auch Claudia, total ausgepumpt von dem stundenlangen Lauf, war nicht mehr fähig, etwas zu tun. Sie streckte sich aus und schlief schon, als der Padrone mit einem dürren Hausknecht das dritte Bett brachte und aufstellte.
Und dann – endlich – konnte sich auch Hellberg hinlegen und kam sich vor, als habe man ihm alle Knochen gebrochen.
Die Nacht sank über Bari. Über Gerechte und Ungerechte.
In dieser Nacht geschah etwas Furchtbares.
In der Pensione Renzo, auf Zimmer 15, wurde ein Mann ermordet. Der Hauswirt, der spät in der Nacht von einem Bummel durch einige Weinlokale zurückkam, sah hinter den blinden Scheiben noch Licht. Das wunderte ihn, denn der Bewohner von Nr. 15 war gerade aus Dubrovnik zurückgekehrt. Er hatte das Zimmer schon bei der Abfahrt von Bari fest bestellt gehabt. Nun war er zurückgekommen aus Sarajewo, ein glücklicher, ein strahlender, ein verjüngter Mensch.
»Ich habe die Wunderpillen!« hatte er schon im Hausflur geschrien. »Ich habe 20 Pillen! Damit kann ich meine Frau völlig heilen! 20 Pillen! Ich werde morgen der Madonna in der Kathedrale eine dicke Kerze opfern, die dickste, die es in Bari gibt!«
Der Hauswirt stieg die drei Treppen hinauf, klopfte an die Tür von Nr. 15, legte das Ohr an das Holz, und als er nichts hörte, drückte er die Klinke herunter.
Die Tür war nicht verschlossen.
Im Schein der trüben Deckenlampe lag der Mann vor dem Tisch auf dem Boden. Um seinen Kopf hatte sich eine große Blutlache gebildet.
Der Mörder hatte ihm die Kehle durchschnitten. Eine grauenhafte Wunde zog sich fast von Ohr zu Ohr.
In der Hand hielt der Tote eine Damenhandtasche, in die sich seine Finger im Todeskampf fest verkrallt hatten.
Zehn Minuten später war die Polizei da.
Zwei Spezialisten untersuchten die Leiche, der junge Polizeioffizier löste die Tasche aus den Händen des Toten. Aufgeregt, mit beiden Armen fuchtelnd, sprach der Padrone auf ihn ein.
Und dann klopfte es an die Tür von Nr. 14. Hart, fordernd.
Hellberg fuhr aus dem Bett. Claudia und Marion richteten sich auf. »Aufmachen, Polizei!« dröhnte eine Stimme vom Flur.
Die schwarzen Fahrkarten, dachte Hellberg. Verdammt! So große Glückskinder scheinen wir doch nicht zu sein.
Er öffnete und prallte geblendet zurück. Ein Handscheinwerfer strahlte ihn an.
»Kommen Sie heraus!« sagte die schneidende Stimme wieder. Claudia und Marion folgten Hellberg in den Flur. Da sahen sie die offene Tür von Zimmer 15 und blieben mit einem Aufschrei entsetzt stehen.
Der Tote in der Blutlache.
Der grauenhafte Schnitt in der Kehle.
Und hinter ihnen sagte die schneidende Stimme:
»Sie sind verhaftet wegen Mordes! Mitkommen und Hände auf den Rücken!«
Noch geblendet von dem Handscheinwerfer und wie gelähmt von dem grauenhaften Anblick, rührten sie sich nicht. Erst, als jemand Hellberg unsanft in den Rücken stieß und laut »Avanti! Avanti!« rief, löste sich ihre Erstarrung.
»Das dürfte doch wohl ein Irrtum sein!« sagte Hellberg erregt. »Wie kommen Sie dazu, uns …«
»Mitkommen! In Nebenzimmer.« Der junge Polizeioffizier sprach etwas Deutsch. Plötzlich war der obere Flur voller Polizeiuniformen, und harte Hände packten Hellberg und die beiden Mädchen und schoben sie in ihr Zimmer zurück. Im Nu war der Raum taghell, zwei neue Handscheinwerfer strahlten Hellberg, Claudia und Marion an. Von der Straße tönte eine Sirene. Die Mordkommission. Der Leichenwagen. Der Polizeiarzt. Die enge, winkelige Gasse war nun hellwach. Aus allen Häusern quollen die Menschen, umstanden das Mordhaus, diskutierten mit weiten Armbewegungen und südländischem Temperament.
Der Leiter der Mordkommission sah sich die Leiche noch einmal genau an und ließ sich eingehend von dem Polizeioffizier berichten, ehe er ins Nebenzimmer ging, sich hinter einen in der Zwischenzeit herbeigeholten breiten Tisch setzte und eine Brille aufsetzte.
»Sprechen Sie englisch?« begann er sein Verhör und sah Hellberg dabei an.
»Ja.« Von jetzt ab wurde nur englisch gesprochen, was auch Claudia verstand. Marion saß auf dem Bett und schüttelte immer wieder den Kopf. »So ein Blödsinn!« sagte sie. »So ein verrückter Blödsinn! Man sollte darüber
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