Das Schiff der Hoffnung
Schiffskarten!«
»Wo?« Man sah an den Augen des Kommissars, daß er unsicher wurde. Hellberg griff in die Brieftasche und zog seinen großen Schatz hervor. Der Capitano warf einen Blick darauf. Sein Gesicht entspannte sich wieder.
»Das sind plumpe Fälschungen!« sagte er.
Es war Hellberg, als habe ihn jemand von hinten mit einem Hammer gegen den Kopf geschlagen. »Nein …«, stammelte er. »Das ist unmöglich. Ich habe …«
»Sie haben einen hohen Betrag schwarz dafür bezahlt, nicht wahr? Man hat Sie betrogen – falls Sie die Karten nicht als gutes Alibi selbst anfertigten.«
»Ich kann Ihnen die Adresse nennen, wo ich sie gekauft habe. Es ist ein Freund des Hauswirtes. Er hat mir sogar einen Zettel mitgegeben, sonst hätten wir nie das Zimmer bekommen.«
»Warten Sie, Sir.«
Der Kommissar ging hinaus. Auf dem Flur hörte man einen erregten Wortwechsel, der lauter und lauter wurde. Dann kam der Capitano herein und setzte sich. Seine verschlossene Miene ließ nichts Gutes vermuten.
»Der Padrone sagt aus und ist bereit, es zu beeiden, daß er von Ihnen nie einen Zettel bekommen hat. Er hat überhaupt keinen Freund, der Schiffskarten, und dazu noch gefälschte, verkaufen könnte. Er sagt aus, daß Sie und die beiden Damen bei ihm klingelten, und da er noch ein Zimmer frei hatte und Sie alle so erschöpft aussahen, habe er Ihnen das Zimmer gegeben.«
»Ich habe die Adresse seines Freundes!« Hellberg suchte mit zitternden Fingern die Liste des Fremdenverkehrsvereins von Bari. Als er sie fand, zeigte er dem Capitano den Namen der Pension in der Via Tanzi. Ein Polizist verließ das Zimmer mit der Weisung, nachzusehen, ob es Wahrheit war.
»Wäre es nicht besser, Sie legen ein Geständnis ab?« fragte der Kommissar.
Hellberg starrte ihn an, als käme er von einem anderen Stern. »Was soll ich denn gestehen?«
Auf dem Bett erwachte Claudia aus ihrer Ohnmacht. Ein Polizist flößte ihr Rotwein ein, der um diese Jahreszeit billiger war als Wasser, das man rationierte. Dann begann sie zu husten, ein trockener, bellender Husten, der den Capitano aufhorchen ließ. Er sah hinüber zu dem sich auf dem Bett krümmenden Mädchen.
»Die Signorina ist auch krank?«
»Ja. Sie hat Lungenkrebs!« antwortete Hellberg hart.
»Ist die Lage nicht sonnenklar, Sir?« Der Capitano steckte die Pässe Hellbergs und Marions in eine Aktenmappe. »Sie redeten immer nur von Ihren Bekannten, die in Avezzano warten. Von der Signorina haben Sie nichts erzählt.«
»Weil Sie nicht danach fragten!«
»Die alte, immer wieder dumme Ausrede.« Der Kommissar winkte lässig ab. »Sie brauchten die Pillen jetzt! Für die Signorina. Dann die gefälschten Passagekarten, die niemand verkauft haben will … denn Sie glauben doch nicht, daß der Pensionsbesitzer in der Via Tanzi ›Ja‹ sagt?!«
»Nein.«
»Na also!« Der Capitano erhob sich und winkte. Je zwei Polizisten stellten sich neben Hellberg, Marion und Claudia. »Kommen Sie mit. Morgen früh werden wir die Verhöre fortsetzen. Bis dahin haben Sie Zeit, sich die Wahrheit zu überlegen.«
»Wird diese dumme Komödie tatsächlich noch weitergespielt?« rief Marion erregt. Von der englischen Unterhaltung hatte sie nur einige Worte verstanden, aber den Zusammenhang nicht begriffen.
»Es scheint so.« Hellberg wandte sich an den Leiter der Mordkommission. »Ich bitte um sofortige Benachrichtigung des deutschen Konsulats in Neapel und um einen Anwalt!«
»Morgen früh, wie Sie wollen, Sir.« Der Capitano machte eine kleine, höfliche Verbeugung. »Bis dahin bitte ich Sie, meine Gäste zu sein …«
Das war nicht ironisch gemeint, sondern wirklich höflich. Erst der überführte Mörder ist ein wirklicher Mörder.
Unter dem Geschrei der Nachbarn und der Kinder, die trotz der nächtlichen Stunde wieder auf der Gasse waren, unter Drohungen und geschwungenen Fäusten wurden Hellberg, Claudia und Marion mit einem Polizeiwagen abtransportiert. Der Tote war schon fortgeschafft. Der Hausdiener scheuerte bereits den Boden von Zimmer Nr. 15. Es war eine scheußliche Arbeit. Das Blut war in die Ritzen der Dielen gelaufen und mußte mit einem Messer herausgekratzt werden.
Am nächsten Morgen wurden auf der Molo Foraneo, an den wartenden Wohnwagen, von einem mittelgroßen, bärtigen Mann in schäbiger, abgetragener Kleidung 20 Kapseln HTS, das Wundermittel gegen den Krebs von Dr. Zeijnilagic aus Sarajewo, zum Kauf angeboten. Ein Ehepaar aus Marseille kaufte sie für ihren krebskranken Sohn
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