Das Schiff im Baum: Ein Sommerabenteuer (German Edition)
Tassen!«
»Fiete Feddersen, wir haben Besuch!«, sagte Tante Polly.
»Nicht, dass ich wüsste!«
Tante Polly seufzte und stellte ihm ein Glas Wasser hin.
»Da haben die Fische reingepinkelt. Das trinkt kein anständiger Seemann.«
»Sagt wer?«
»Sagt Queequeg!«
»Dann bestell deinem Queequeg mal einen schönen Gruß, er soll sich gefälligst raushalten!«
Onkel Fiete setzte das Glas an die Lippen und trank es in einem Zug leer.
»Du wirst sehen, Wasser wirkt Wunder!«, sagte Tante Polly.
»Und wo ist der Besuch?«
»Oben in der Kammer. Sie schlafen noch!«
»In der Kammer hat doch immer das Paulinchen geschlafen!«
»Und jetzt schlafen die Kinder vom Paulinchen da!«
Onkel Fiete grinste.
»Ich weiß, sie heißen Katharina und Ole! Die habe ich gestern im Kirschbaum gesehen! Ich hab ihnen gesagt, sie sollen die Kirschen pflücken!«
»Das haben sie auch getan, Fiete Feddersen. Sie haben den ganzen Eimer voll gepflückt und heute Mittag gibt’s Kirschpfannkuchen!«
Onkel Fiete strahlte. »Polly, du bist die Beste!«
»Sagt wer?«
»Sage ich!«
Tante Polly fiel ein Stein vom Herzen.
Sie wusste, heute würde ein guter Tag werden. An guten Tagen konnte man mit Onkel Fiete Pferde stehlen, dann war er wie früher, freundlich und fröhlich. An guten Tagen gab es keinen Queequeg, da gab es nur Fiete und Polly und sie redeten miteinander, erzählten die Geschichten von damals und Fiete Feddersen konnte sich plötzlich wieder an alles erinnern.
»Ich kann doch gut mit Kindern!«, sagte Onkel Fiete. »Weißt du noch, wie ich das Paulinchen immer zum Lachen gebracht habe?«
»Brummknöpfe hast du ihr gemacht.«
»Und den Daumen habe ich springen lassen! Guck mal, so!«
Onkel Fiete spreizte die Finger und ließ den Daumen tanzen. Das sah sehr komisch aus und Tante Polly musste lachen.
»Ja, Fiete, genau so, und wenn das auch nicht geholfen hat …«
»Dann hab ich die Mundharmonika gespielt!«
Tante Polly kramte in der Küchentischschublade. Ganz hinten lag die verblichene Schachtel mit der Mundharmonika.
»Gib her, Frau, jetzt will ich aber wissen, ob das olle Ding eingerostet ist!«
Onkel Fiete spielte einen Tusch. »Na bitte, geht doch!«
Und dann spielte Onkel Fiete die Mundharmonika, als hätte er nie etwas anderes getan. Er spielte laut, er spielte leise, er ließ die Töne schluchzen, er stampfte mit dem Fuß den Takt dazu.
Und Tante Polly fing an zu singen. Ein bisschen leise und zittrig zuerst: »Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord. In den Kesseln, da faulte das Wasser und täglich ging einer über Bord«, dann aber immer lauter und sicherer.
»Ahoi, Kameraden, ahoi, ahoi! Leb wohl, kleines Mädel, leb wohl, leb wohl!«
Sie trommelte mit dem Brotmesser auf den Küchentisch.
»Ja, wenn das Schifferklavier an Bord ertönt, ja, dann sind die Matrosen so still, weil ein jeder nach seiner Heimat sich sehnt, die er gerne einmal wiedersehen will!«
Es war ein wirklich guter Tag.
ELFTES KAPITEL,
in dem wir Mäuse auf
den Pinn treiben
Wir hatten gedacht, die Musik komme aus dem Radio. Irgendeine Sonntagsmorgensendung, Hein Schoop und die singenden Matrosen oder so … Aber in Wirklichkeit war alles ganz anders.
Wir standen in der Küchentür und trauten unseren Augen nicht.
Onkel Fiete spielte die Mundharmonika und unsere Tante Polly sang und trommelte mit dem Brotmesser auf den Küchentisch wie Gustav von Tokio Hotel auf sein Schlagzeug. Es hörte sich verdammt gut an.
»Megakrass!«, sagte Ole.
»Hör dir den Grünschnabel an, Polly!« Onkel Fiete legte die Mundharmonika zurück in die Schachtel. »Ist noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, aber redet in fremden Zungen! Was bedeutet denn ›megakrass‹? Das musst du deinem alten Onkel mal erklären!«
»Mensch, Onkel Fiete, ›megakrass‹ ist oberkrass hoch zwei … also das Krasseste, was es überhaupt gibt.«
Onkel Fiete grinste.
»Frau, schnell, ein großes Glas Wasser für den Jungen! Er ist ja schon ganz durcheinander! Du musst mehr trinken, Kind! Wasser wirkt Wunder!«, sagte er.
Ole bekam einen roten Kopf. Seine Unterlippe fing an zu zittern.
»Du willst mich gar nicht verstehen, Onkel Fiete!«
Ich wusste genau, wenn Oles Unterlippe zitterte, war er kurz davor zu heulen, und wenn er jetzt anfing zu heulen, war der Tag gelaufen. Ich glaube, Tante Polly wusste das auch.
»Lass dich bloß nicht ärgern!«, sagte sie schnell. »Der alte Brummbär ist nämlich Weltmeister im Kinderärgern.
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