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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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– vielleicht wegen seiner unbestreitbaren Stärke und Kraft, vielleicht aber auch nur deswegen, weil diese Züge ihm angeborene Eigenschaften sind, die man in seiner Typenbeschreibung im Katalog nachlesen kann.
    »Ich weiß es nicht«, ruft das Mädchen, uns beiden schon wieder ein Stück voraus.
    Ich überlege, ob ich sie fragen soll, ob sie diejenige ist, die mich nach meinem Eintritt in eine eiskalte Welt vor dem Erfrieren bewahrt hat. Aber wenn das für sie keine Rolle spielt, kann es auch mir egal sein. In dieser jämmerlichen Welt, in der alles aus dem Ruder gelaufen ist, gehen Erinnerungen nicht unbedingt mit bestimmten Gefühlen einher. Seltsam, wie Nahrung, Wasser,
ein sauberer Körper – und ein paar Momente der Ruhe – mich zu philosophischen Höhenflügen stimulieren.
    Kim streicht über ein weiteres Oval. »Wenn wir diese Zeichen deuten könnten, würden sie uns verraten, wo wir sind und wo wir hinmüssen.«
    »Genau. Lösen sie bei dir irgendwelche Erinnerungen aus?«
    »Bis jetzt nicht. Und bei dir?«
    Wir unterhalten uns über Belangloses, um nicht an das denken zu müssen, was unausweichlich auf uns zukommt. Und beide vermeiden wir es, über das zu reden, was Nell uns offenbart hat, schließlich hat das Mädchen verblüffend scharfe Ohren.
    »Na ja, ich würde gern behaupten, die Ovale dienten als Orientierung für Elemente, nur gibt es hier keine.«
    Er schnaubt belustigt. »Was zum Teufel tun wir hier überhaupt?«
    »Wir folgen dem Mädchen.«
    »Und entfernen uns dabei immer weiter von Nahrung und Wasser …« Erneut mustert er ein Oval. »An dieser Stelle häufen sich die Dinger. Könnte bedeuten, dass gleich ein weiterer Gang kreuzt. Ob sie diese Zeichen deuten kann?«
    Ich halte nach dem Mädchen Ausschau, aber sie ist um eine Kurve des Ganges gebogen und nicht zu sehen. Plötzlich zieht mich Kim nahe an sich heran. »Nell hat gesagt, ich soll auf dich aufpassen.«
    Ich muss schlucken. »Das nehme ich ihr nicht übel.«

    »Sie hält dich für denjenigen, auf den es wirklich ankommt, was immer das heißen mag.«
    »Jedenfalls danke ich dir fürs Aufpassen«, flüstere ich.
    »Hat Nell dir von dem Notizbuch erzählt, das im Netz der Transferkapsel versteckt war?«
    Ich nicke und deute auf Kims Pranken, die meine Arme immer noch gepackt halten. »Nicht so fest bitte!«
    »Sie sagt, du hättest kleine Höcker auf dem Kopf, dein Doppelgänger aber nicht. Ihr seid gar nicht identische Zwillinge.«
    »Ich hab bei ihm nicht nachgesehen«, erwidere ich.
    »Wieso hat er sein Notizbuch in der Transferkapsel versteckt und es uns nicht einfach gezeigt, so wie du es getan hast?«
    »Wahrscheinlich, weil es verschlüsselt ist«, sage ich so, als wollte ich meinen Zwilling in Schutz nehmen.
    »Aber Nell hat den Code knacken können.«
    Bis jetzt ist mir gar nicht klar gewesen, wie gescheit Nell tatsächlich ist. Nun komme ich mir wie ein kleiner Junge vor, der bei einem Vertuschungsmanöver ertappt worden ist – obwohl es hier gar nicht um mich geht. »Hoppla« ist die einzige Antwort, die mir einfällt.
    »Nell hat mir nicht verraten, ob sie alles gelesen hat«, fährt Kim fort. »Sie hat mir nur von dem Teil erzählt, in dem es um die Suche nach Mutter geht. Und darin stand auch, man müsse sicherstellen, dass wir alle damit einverstanden sind, die Reiseleitung zu vernichten.
Und das waren wir anfangs ja auch, stimmt’s? Wir alle, bis auf Tsinoy.«
    »Stimmt. Aber mein Doppelgänger hat es wie eine Anweisung notiert. Als befolgte er Befehle. Woher also hat er diese Befehle bezogen?«
    Kim lockert den Griff. »Welche anderen Dinge hat Nell dir gezeigt?«
    Es war die größte Offenbarung überhaupt, aber ich weiß noch immer nicht, ob ich sie für wahr halten soll. »Wir tragen einen großen Teil des Schiffsspeichers und seiner Programmierungen in uns, vielleicht sogar noch mehr als das. Wir ähneln Sicherheitskopien – biologischen Back-ups. Jedes Mal, wenn wir uns Zugang zum Arbeitsspeicher des Schiffs verschaffen, verschaffen wir dem Schiff Zugang zu seinem Archiv. Teile, die scheinbar gelöscht waren, stellen sich dabei wieder her. Wir helfen dem Schiff bei der Datenrekonstruktion, insbesondere Nell und Tsinoy.«
    »Ich auch?«
    »Du weniger, jedenfalls bis jetzt noch nicht. Nell weiß nicht so recht, wo du ins Spiel kommst.«
    »Aber sie hat auch deinem Doppelgänger Zugang zum Speicher gewährt, genau wie dir. Ist das nicht doppelt gemoppelt? Hätte dem Schiff nicht einer von euch beiden

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