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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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konnten.«
    »Also ist die Rettung dieses Schiffsrumpfs euer Verdienst? «, fragt Tsinoy.
    »Nein, Mutters Verdienst.« Diese Antwort war vorherzusehen.
    »Du bist also nur Mutters kleine Helferin«, stellt Nell fest.
    Erneut nickt das Mädchen. Unser Widerstreben, uns bedingungslos auf die Begegnung mit »Mutter« einzulassen,
gibt ihr immer noch Rätsel auf. Eindeutig setzt sie darauf, dass wir letztendlich keine Sturköpfe sind, irgendwann einlenken und auf ihre Forderung eingehen werden. Auf den Befehl eingehen werden, wie mir jetzt klar wird. Mutter glaubt, wir seien ihr etwas schuldig. Und das glauben auch ihre kleinen Töchter.
    Ausgerechnet in diesem Moment heben sich die schweren Jalousien vor den vorderen Bullaugen – was Tsinoy sofort bemerkt. Ich weiß zwar nicht, ob sie sich darüber freut oder nicht, aber ihre rosafarbenen Augen huschen hin und her, und gleich darauf hangelt sie sich zu den Bullaugen hinüber, um sich eine Zeit lang in die Betrachtung des Universums zu vertiefen.
    »Mutter hat dafür gesorgt, dass ihr wieder nach draußen blicken könnt«, erklärt das Mädchen. »Der Schiffskörper kann sich immer noch selbst reparieren. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass er funktioniert.«
    »Steht auch Mutter in dem Katalog?«, fragt Nell. »Von uns hier erinnert sich nämlich keiner an jemanden, der ihr auch nur entfernt ähnelt …«
    Das Mädchen zieht eine beleidigte Schnute. »Ihr habt sie doch noch gar nicht gesehen!«
    »Kann Mutter alle Dateien, alle Aufzeichnungen des Schiffsspeichers öffnen und uns zugänglich machen?«, bohrt Nell weiter.
    »Nein, nicht alle«, erwidert das Mädchen. »Vieles ist beschädigt oder verlorengegangen, das wisst ihr ja selbst.«
    »Du hat aber keine Ahnung, ob Mutter überhaupt bereit wäre, uns diesen Gefallen zu tun, oder?«, fragt Nell.

    Das Mädchen schüttelt den Kopf. Auf ihre Weise bemüht sie sich tatsächlich, ehrlich zu sein und sich wie ein Mitglied unserer Gruppe zu verhalten. Sie ist ja nur ein kleines Rädchen in Mutters Getriebe, dazu ein derzeit vom Getriebe abgekoppeltes.
    »Du kannst mit Mutter nicht auf psychische Weise kommunizieren, oder?«, fragt Kim.
    Die anderen sehen verwirrt aus, aber ich weiß, auf was er abzielt.
    »Ich weiß nicht, was auf psychische Weise bedeuten soll«, gibt das Mädchen zurück.
    »Kannst du durch deine Gedanken mit ihr sprechen?«
    »Nein, das ist doch eine alberne Vorstellung!«
    »Ehrlich gesagt fasziniert mich das alles«, erklärt Kim, steht auf und streckt sich. »Ich würde mich gern mit Mutter treffen und ihr meine Fragen persönlich stellen. Sonst noch jemand?«
    Das Mädchen ist gar nicht auf die Idee gekommen, dass unsere Gruppe sich aufspalten könnte. »Mutter möchte aber, dass ihr alle …«
    »Nun ja, das wird aber nicht passieren.« Tsinoy wendet sich von den Sternen und dem Nebel ab; da draußen stiebt von dem vom Schutzschild abgelenkten Staub gerade ein Schauer heller Funken auf. »Ich muss hierblieben. Nell muss den Schiffskörper lenken – kann ja sein, dass wir die Schutzschilde wieder verlieren. Und Tomchin kann Nell dabei unterstützen. Vielleicht kann einer der Lehrer Tomchin zur Hand gehen. Was euch Übrige betrifft, so ist es eure persönliche Entscheidung. «

    Schweigend nehmen wir Tsinoys Erklärung entgegen. Die Miene des Mädchens erstarrt; sie vermeidet es, irgendeinen von uns anzusehen. Innerlich kocht sie sicherlich vor Wut, schießt mir durch den Kopf.
    »Ich werde gehen«, sagt mein Zwilling. »Oder …«
    »Nein, du bleibst hier«, fällt Nell ihm ins Wort. » Er wird gehen«, sie deutet auf mich. Ich habe zwar keine Ahnung, was sie vorhat, aber das, was unausgesprochen mitschwingt, lässt viel Raum zur Interpretation.
    »Mich fasziniert das ebenso wie Kim. Außerdem«, ich wende mich an meinen Zwilling, »bist du älter und weiser und für diese wunderbaren Leute wertvoller als ich.«
    Zwar runzelt er die Stirn, gibt jedoch nach. »In Ordnung«, sagt er nach kurzem Zögern. Vielleicht will er einen Wettstreit in der Disziplin Mannesmut vermeiden. Oder eine offene Auseinandersetzung vor dem Rest der Gruppe. Kann aber auch sein, dass er sein persönliches Spielchen nicht zu weit treiben will. Mir ist selbst nicht klar, warum mein Verdacht in dieser Richtung immer stärker wird. Einverständnis demonstrierend, schütteln wir uns die Hände und umarmen einander. Es ist ein peinlicher Moment, denn bei uns als Zwillingspaar kommt der gegenseitige Respekt der

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