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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Selbstverliebtheit gefährlich nahe. Doch wie sehr wir uns nach außen hin auch gleichen mögen, wie ähnlich wir auch denken und handeln mögen, ist uns beiden mittlerweile doch bewusst, dass wir höchst verschieden sind. Und Blutsbande bringen nicht automatisch Zuneigung mit sich. Wir versuchen lediglich, eine paradoxe
Situation zu meistern: Er will gehen, und ich eigentlich nicht. Trotzdem habe ich durchgesetzt, dass ich derjenige bin, der geht, während er zurückgesteckt hat und bleibt.
    »Wie weit ist es überhaupt?«, fragt Kim.
    »Wir müssen bis fast ans Drehkreuz«, erwidert das Mädchen.
    Tsinoy berät sich derweil mit Nell. Beide haben die Hände auf die Halbkugel gelegt.
    »Ich weiß nicht, ob wir überhaupt einen Schimmer davon haben, was hier wirklich vor sich geht«, erklärt Nell schließlich. »Wir stoßen ständig auf widersprüchliche Informationen. Vielleicht war es doch nicht die Reiseleitung, die die Schutzschilde beseitigt hat. Als wir damit anfingen, die Schiffskörper miteinander zu verbinden, schalteten sich die Antriebe ab, und sie sind immer noch abgeschaltet. Offenbar führen wir gerade ein Wendemanöver durch. Wir beschreiben derzeit eine lange Kurve, um in eine andere Umlaufbahn überzuwechseln.«
    »Und was bedeutet das?«, frage ich.
    »Könnte heißen, dass sich das Schiff dem Gravitationstrichter eines größeren Sternenhaufens nähert«, erwidert Tsinoy. »Wir können ihn nicht sehen, da ein Nebelarm davor liegt. Aber ein Wendemanöver würde einiges erklären: Während eines solchen Manövers fallen die Schutzschilde vorübergehend aus, da sie sich erst auf den neuen Winkel einstellen müssen, aus dem der interstellare Wind kommt. Erst wenn sie entsprechend ausgerichtet sind, arbeiten sie wieder.«

    »Um die Antriebe neu zu starten, muss man die Schiffskörper erst wieder voneinander trennen«, fügt Nell hinzu. »Aber unter den gegebenen Umständen werden wir, sobald die Antriebe wieder arbeiten, nicht nur eine Kurskorrektur vollziehen, sondern auch entschleunigen. «
    »Das heißt abbremsen?«, fragt Kim.
    »Vielleicht reagiert das Schiff gar nicht auf irgendwelche Bedrohungen«, erwidert Nell, ohne auf die Frage einzugehen, »sondern hält sich lediglich an frühere Programmierungen. «
    »Du gehst also davon aus, dass bereits ein bestimmtes Reiseziel ausgewählt wurde?«, frage ich. »Wieso hat die Schiffsleitung uns das vorenthalten?«
    »Vielleicht will sie nicht, dass wir darüber Bescheid wissen. Oder man hat uns bewusst hinters Licht geführt. Ich weiß es auch nicht.«
    Diese Deutung der Ereignisse versetzt mir einen solchen Schock, dass sich mir alle Härchen aufstellen. Ein Wendemanöver, eine Neuausrichtung der Schutzschilde – das ist eine durchaus brauchbare alternative Erklärung der seltsamen Vorgänge. »Demnach hat die Reiseleitung gar nicht versucht, uns durch die Entfernung der Schutzschilde zu vernichten? Und wir haben sie auch gar nicht zum Nachgeben gezwungen?«
    »Du sagt es«, gibt Tsinoy lakonisch zurück.
    »Warum zum Teufel sitzen wir dann hier herum und glauben, wir seien die großen Macher?«
    »Wir müssen noch viel mehr in Erfahrung bringen, das steht fest.« Nell sieht mich dabei an und winkt mich
mit gekrümmtem Zeigefinger zu sich heran. »Siehst du dir mal kurz mit mir zusammen einige Schiffsprogramme an? Auch Kim sollte sich etwas anschauen, bevor ihr aufbrecht.«
    »Und was ist mit mir?«, fragt mein Zwillingsbruder.
    »Immer einer nach dem anderen«, erwidert Nell.
    Als ich meine Hände neben Nells auf die Halbkugel lege, mustert sie mich gründlich mit fragendem Blick. »Irgendjemand hier drinnen kennt dich. Kennt euch beide«, sagt sie leise, ehe wir in den Schiffsspeicher eintauchen.
    Wenige Minuten später löst Kim uns ab, während mein Zwilling mit scheinbarer Gelassenheit zusieht. Hegt er irgendeinen Verdacht? Bald darauf fordert Nell ihn auf, sich zu ihr zu gesellen und sich ebenfalls etwas im Speicher anzusehen.
    Auf was genau sie ihn hinweist oder was sie ihm erzählt, erfahre ich nicht.

Neue Welten auf dem Achterdeck
    D er Weg nach achtern sei zwar nicht gefährlich, sagt das Mädchen, wir müssten jedoch einige Umwege nehmen, so dass wir für die Strecke eine Weile brauchen würden. Also packen wir Marschverpflegung, Wasser und Kleidung zum Wechseln ein und benutzen dazu wie üblich die grauen Beutel. Derweil ist das Schiff mit Kurskorrekturen beschäftigt. Es besteht jetzt immerhin Hoffnung auf eine Änderung unserer Lage

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