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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Ende dieses Wegs ein letzter übrig gebliebener Killer auf mich lauert?
    Hand in Hand schweben die Mädchen vor mir. Um mich zu beruhigen, hole ich erst einmal Luft. Ich werde die Mädchen nach Hause schicken. Das ist das Mindeste, was ich für sie tun kann. »Wie gut funktioniert euer Gedächtnis?«, frage ich.

    »Ziemlich gut«, erwidert eines der Mädchen.
    »Wisst ihr noch, was ihr auf dem Weg nach vorne oder nach hinten im Schiffskörper gesehen habt? Erinnert ihr euch daran, wie die Symbole und diese leuchtenden Ovale angeordnet waren? Und wie oft die Streifen auf den jeweiligen Streckenabschnitten auftraten?«
    Die beiden wirken verwirrt und starren mich mit offenem Mund an, so dass die rosafarbenen Zungen und die winzigen regelmäßigen Zähne zu sehen sind … Milchzähne. Sie kramen tief in ihrem Gedächtnis.
    »Kann sein«, sagt das Mädchen zu meiner Linken.
    »Die Korridore haben Codes«, erkläre ich. Als Kim die Zeichen, Ovale und Streifen untersucht hat, wollte er meiner Meinung nach herausfinden, wie Elemente (oder auch Menschen) sich daran orientieren können. Es wäre zwar nur logisch, dass sich mit dem Wandel des Schiffskörpers auch diese Symbole verändert haben, aber man kann ja trotzdem ein bisschen Hoffnung bewahren. »Wenn wir uns anstrengen, können wir diese Codes entschlüsseln.«
    Stillschweigend kommen sie zu einer Einigung und wenden mir den Blick zu. »Ich kann mich besser daran erinnern als sie«, sagt das Mädchen zu meiner Rechten.
    »Und ich dachte, ihr wärt alle gleich«, bemerke ich.
    »Das wäre doch völliger Blödsinn!«, erwidern beide Mädchen wie aus einem Mund.
    Trotz allem muss ich lachen. Eines der Mädchen verzieht ihr Gesicht so, dass man es als Lächeln deuten könnte. Es ist das erste Anzeichen von Humor und
menschlicher Individualität, das ich bei diesen Geschöpfen entdecke. Doch das Lächeln schwindet so schnell, dass ich mich frage, ob ich es mir nur eingebildet habe. »Könnt ihr es allein herausbekommen?«
    Nach einigen Sekunden deutet die Schlauere der beiden nach hinten. »Dort entlang.«
    Wir werden uns bald trennen müssen, wenn ich zurück zum Bug gelangen und mich nicht zu all meinen verstoßenen toten Brüdern gesellen will.
    Als ich den Büchersack mitschleppen will, schwenken die Mädchen abwehrend die Arme. »Lass ihn da. Wir müssen uns beeilen. Wir können ihn ja später holen.«
    »Aber deine Schwestern und andere sind für diese Notizbücher gestorben «, sage ich, selbst verblüfft von meinem Zorn.
    »Und wir wollen es ihnen nicht nachmachen«, gibt eines der Mädchen zurück.
    Innerlich widerstrebend lasse ich den Sack los, so dass er durch den Korridor treibt. Trotz allem, was ich jetzt weiß, bin ich neugierig auf all diese Erinnerungen und Erfahrungen, die so viele kleine Hände mit kindlicher Schrift aufgezeichnet haben. Und auch meine Hände.
    Vielleicht liegt irgendwo in diesen Notizbüchern das Geheimnis verborgen, wie Mutters Gesellschaftsmodell ausgesehen hätte, wenn ihr und ihren Töchtern die Landung auf dem neuen Planeten geglückt wäre und sie ihre Art in jener Welt verbreitet hätten.
    Die Mädchen konzentrieren sich derweil darauf, die codierten Ovale abzutasten und sich frühere Korridore,
Zeichen und Codes ins Gedächtnis zu rufen. Wirklich fabelhaft, diese anpassungsfähigen, schönen, tödlichen Geschöpfe. Wie sollen wir übrigen, eine bunt zusammengewürfelte, unwissende Schar, es jemals mit solchen Wesen aufnehmen?
    Gleich darauf ziehen wir weiter.
    Nach hundert Metern stoßen wir auf eine Abzweigung, die neu sein muss, denn wir sind hier vorher nie vorbeigekommen. »Die führt nach außenbord«, sagt eines der Mädchen, nachdem sie die Streifen gezählt und jede Leuchte abgetastet hat. »Wir befinden uns fünfhundert Meter von der Außenhaut des Schiffskörpers entfernt. Falls ich die Zeichen richtig deute«, setzt sie leicht verunsichert nach.
    »Geh voran, Macduff«, sage ich. Macduff. Klingt wie ein Name, ein schottischer Name. Vielleicht stammt er von einem englischen Schriftsteller namens Shakespeare. Macbeth, Lady Macbeth – üble Kunden. Hamlet.
     
    Dies über alles: Sei dir selber treu,
    Und daraus folgt, so wie die Nacht dem Tage, du kannst nicht falsch sein gegen irgendwen …
     
    hat ein Mensch gesagt, der vermutlich schwach und naiv war. »Mund halten!«, brülle ich. Das Echo verliert sich in der Dunkelheit.
    »Wir haben doch gar nichts gesagt!«, wendet eines der Mädchen ein.
    Beschwichtigend

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