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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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der dem von Lania , der Geliebten des Zeus, gleicht – herausbilden? Werden Hormone große mütterliche Gefühle in ihr wecken?
Wird sie sich einen Gefährten suchen, unzählige Töchter zur Welt bringen und sie liebevoll aufziehen? Und wird sie diese Töchter genauso, wie ihre Vorgängerin es getan hat, in den Tod schicken?
    Plötzlich leuchten die winzigen Glühlampen auf, und es wird heller. Erneut spüre ich, wie der Korridor bebt, aber glücklicherweise nähern wir uns jetzt seinem Ende, und er wird breiter. Vor mir entdecke ich eine halb geöffnete Luke, durch die ein dichter, warmer, feuchter Schwall unbeschreiblich würziger Luft dringt. Sie riecht nicht angenehm, nicht nach Blumen oder Kräutern, sondern scharf und intensiv und dabei auch beängstigend – nach etwas, das viel facettenreicher, stärker und souveräner ist als irgendein Mensch.
    Als wir uns darauf zubewegen, die Mädchen voran, greifen Klauen aus Elfenbein nach unten und schnappen die beiden, ehe ich reagieren kann. Die Kleinen winden sich und schlagen wild um sich, geben ansonsten aber keinen Laut von sich, sondern schweben in hilfloser Wut durch die Klappe hindurch und aus meinem Blickfeld.
    Zaudernd halte ich an und rühre mich nicht von der Stelle. Ein Spürhund hat sich die Mädchen geschnappt. Doch der einzige mir bekannte Spürhund an Bord ist Tsinoy – und ich bin mir sicher, dass Tsinoy den Mädchen niemals wehtun würde. Trotz allem habe ich keine Angst, zumal ich diesen würzigen Geruch jetzt wiedererkenne. Ich habe ihn schon früher gespürt: wenn Tsinoy sich in die Betrachtung der Sterne vertieft hatte oder sonstige Umstände sie aus dem Gleis geworfen
hatten. Aber jene Düfte waren noch mild verglichen mit diesen üppigen, beißenden Schwaden. Irgendetwas muss unseren weiblichen Spürhund in höchste Erregung versetzt haben.
    »Komm schon«, ruft Tsinoy. »Ich hab sie mir geschnappt. «
    »Aber wieso?«, schreie ich zu ihr herüber.
    »Sie wollten dich zu deiner Hinrichtungsstätte schleppen. Nell redet gerade mit dem Schiff.«
    Von den Duftschwaden bin ich immer noch leicht benommen. »Aber wieso?«, wiederhole ich wie ein uneinsichtiges Kind.
    »Komm rauf. Wir ziehen jetzt dorthin, wo die Mutter dieser Mädchen uns auf keinen Fall haben will: durch die Meere zurück zu den Sternen.«
    Der Schiffskörper scheint zu ächzen.
    Eine Zeit lang bewegen wir uns gemeinsam Richtung Achterdeck. Der Spürhund hat die Mädchen auf seinen Rücken verfrachtet und mit seinen Muskeln fest umschlossen.
    Später biegen wir in eine andere, mir unbekannte, möglicherweise neue Röhre ab, die zurück ins Zentrum des Schiffskörpers führt.
    An einer Gabelung lässt Tsinoy die Mädchen frei. Sofort stoßen sie sich kräftig vom Boden ab und schweben schweigend davon. Vermutlich führt ihr Weg direkt zurück zum Genpool. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass wir die beiden nie wiedersehen werden.
    Nachdem Tsinoy unsere Lage gepeilt hat, fordert sie mich auf, ihr zu folgen. Sie scheint zu wissen, wo wir
uns befinden und wo wir hinmüssen. »Ich habe einen neuen Lageplan«, erklärt sie.
    »Wer hat ihn dir gegeben? Die Schiffsleitung?«
    »Nein, Nell hat mit der Reiseleitung gesprochen. Die Leute haben unser Gebet gehört und wissen jetzt, wer wir sind.« Bei Tsinoy klingt das so ehrfürchtig, als hätte Nell mit einer großen Gottheit irgendwo da draußen gesprochen – oder auch mit dem Teufel.
    Das Gebet.
    Ich habe es laut gesprochen, als Nell die Vereinigung der drei Schiffskörper einleitete. Alle anderen unserer Gruppe fielen mit ein – bis auf meinen Zwillingsbruder. Wenn wir alle dieses Gebet kennen, dann muss es uns wohl von der Reiseleitung eingetrichtert worden sein.
    »Es gibt sie also wirklich? Die Leute leben und sind nicht erfroren?«
    Vor uns leuchten Glühlämpchen auf. »Das ist Nell«, erklärt Tsinoy. »Sie will uns damit sagen, dass sie weiß, wo wir sind. Vielleicht kann sie uns beschützen.«
    Ehe ich weitere Fragen stellen kann, stößt sich Tsinoy ab und schwebt die lange Röhre entlang. Ich kann mir ungefähr zusammenreimen, dass wir uns jetzt jenseits des hinteren Endes der Wassertanks befinden und auf das Zentrum des Schiffskörpers zubewegen. Hier bin ich, schwebe einem weiblichen Monster hinterher, das Leben vernichten kann, aber die Sterne liebt. Früher einmal hatte ich jede Menge Erinnerungen im Kopf, die für die wirkliche Welt, in der ich mich bewege, kaum von Belang waren. Mittlerweile bin ich der Frau meiner

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