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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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meine Richtung, hält einen Finger an die leicht geschürzten Lippen und nickt so, als wüssten wir beide genau, was als Nächstes zu tun ist. Ratlos schüttele ich den Kopf, auch wenn mir klar ist, dass ich ihre einzige Rückendeckung bin.
    Die Stimmen in der Röhre werden lauter und aggressiver. Rufen sie uns etwas zu? Da die Kleine nicht riskieren will, sich bemerkbar zu machen, halte ich ebenfalls den Mund. Es bleibt mir keine andere Wahl, als ihr zu vertrauen, obwohl ich vermute, dass sie, sollte es hart auf hart kommen, keine Sekunde zögern wird, mich zu opfern. Zum Beispiel dadurch, dass sie mich als Schutzschild oder Köder benutzt.

    Es wird beängstigend still ringsum – mal abgesehen von dem Scheppern zusammenstoßender Objekte.
    Verrückt, aber jetzt kehrt mein Heißhunger zurück, so dass ich überlege, ob das gepanzerte Pelzwesen wohl essbare Teile besitzt. Ich produziere zwar kaum noch Spucke, aber trotzdem läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Wurde das Pelzwesen deshalb getötet und zerfleischt, um ihm essbare Stücke zu entreißen? Das Blut schmeckt bestimmt schlecht, aber der Rest möglicherweise gut. Doch wenn das stimmt, wieso wimmelt der Hohlraum dann nicht von Jägern? Ein Schiff von dieser Größe – falls es sich überhaupt um ein Schiff handelt – müsste doch Tausende wie das Mädchen und mich an Bord haben! Tausende von hungrigen Menschen, die in einem sinnlosen Chaos zu überleben versuchen.
    Jetzt deutet die Kleine auf die Öffnung, streckt den Zeigefinger in diese Richtung und öffnet den Mund, sagt aber nichts. Jetzt sehe ich, auf was sie mich hinweisen will: Das Verbindungsstück zwischen Hohlraum und Röhre schrumpft zusehends. Zugleich verlagert sich der ganze Schrott und schwebt in die Richtung links von uns. Und auch wir bewegen uns, während unsere Körper die Schwerelosigkeit verlieren. Die Kleine streckt Arme und Beine aus und sucht nach einer Fluchtmöglichkeit. Während ich es ihr nachtue, versuche ich, die Vektoren für die vielen Tonnen zerstörter Objekte zu berechnen. Zugleich geraten weitere leblose Dinge in mein Blickfeld, und zwei davon sind menschlicher Natur. Andere sind größer und haben
segmentierte Panzerplatten ausgefahren, die ich für Rückenschilde halte. Doch alle sind mausetot.
    Nein, ein Wesen hat überlebt.
    Bis jetzt muss es sich wohl am anderen Ende des Hohlraums befunden und auf Bewegungen gelauscht haben. Durch die Lücken zwischen den toten Dingen kann ich einen kurzen Blick darauf erhaschen. Doch gleich darauf schließen sie sich, und der Schrott wird an eine Seite des Hohlraums gepresst. Und ich stecke immer noch mitten drin, gemeinsam mit diesem bizarren, geschmeidigen Geschöpf, das um ein Vielfaches größer ist als ich und wie ein riesiger Aal aussieht. Gruppenweise angeordnete, massive Glieder schwenken im Gleichtakt hin und her. Vorne sitzt ein rundes Maul, aus dem eine Raspel schießt – nein, eine mit funkelnden Sägezähnen besetzte Zunge, die sich nach oben hin verjüngt.
    Jetzt schiebt sich die tote Reinigungskraft, das saugfähige Ungetüm, zwischen uns, so dass ich mich auf der einen Seite befinde, der lange Aal auf der anderen.
    Währenddessen schwebt das Mädchen auf das Verbindungsstück zwischen Hohlraum und Röhre zu, dessen Breite mittlerweile auf weniger als zwei Körperlängen geschrumpft ist.
    Als ein krummer Balken auf mich zutreibt, ergreife ich die Gelegenheit, mich abzustoßen, doch er ist längst nicht so massiv wie gedacht und gibt nach, dreht sich lediglich ein bisschen, ohne mir Schwung zu verleihen. Das Verbindungsstück ist zwar nur noch sechs oder sieben Körperlängen von mir entfernt, aber ich komme
einfach nicht vorwärts, so sehr ich mit Armen und Beinen rudere.
    Offenbar hat der Riesenaal gerade versucht, einen Brocken aus der toten Reinigungskraft zu reißen, um ihn zu verschlingen, aber der scheint ihm nicht gut bekommen zu sein, denn jetzt zittert er heftig, während er sich durch eine Wolke zäher dunkler Flüssigkeit schlängelt. Muss wohl schlecht geschmeckt haben …
    In meinem Blickfeld taucht jetzt eine große, flache Platte mit geschmolzenen Kanten auf, und zwar genau im richtigen Winkel, sofern ich es schaffe, mich von ihrem vorderen Rand abzustoßen. Aber bevor ich dorthin gelange, muss ich erst einen kleinen feuchten Klumpen aus dem Weg räumen, es bleibt mir nicht viel Zeit.
    Der feuchte Klumpen entpuppt sich als abgetrennte Hand. Egal.
    Inzwischen hat sich der Riesenaal um ein großes

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