Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
gelange ich zu einer Stelle, an der mir der Blick nach oben versperrt ist. Auch in diesem Fall ist mir klar, was dort oben sein muss, aber nicht, wie es aussieht. Noch nicht. Ein drittes Schiff. Genauer gesagt: ein Teil des dritten Schiffes, denn mit diesem riesigen
Schneeball von Mond, der unterhalb von Sternen und Wolken schwebt, ist ein ganzes Trio von Schiffen verbunden.
    Nein, falsch: Der Mond schwebt nicht unterhalb der Sterne, sondern zwischen ihnen. Es ist ein von serpentinenartigen Rinnen durchzogener Mond, der einsam und verloren zwischen den Sternen hin und her wandert.
    All diese wirren Mutmaßungen sind mir zuwider. Vielleicht halluziniere ich? Der Verstand sollte einem keine Streiche spielen! Schließlich ist Wissen das, was uns Menschen auszeichnet! Die Erinnerungen und das Wissen sollten wohlgeordnet und leicht zugänglich sein, besonders bei mir, schließlich bin ich Lehrer! Ausbilder!
    Ich muss pinkeln und habe zugleich schrecklichen Durst.
     
    Irgendwann schlage ich die Augen auf. In der Realität. Wache in meinem Refugium, der winzigen Seifenblase, auf. Zwar ist mein Kopf vom schweren Schlaf immer noch benebelt, dennoch ist mir klar, dass ich während des Schlafes irgendetwas Wichtiges entdeckt habe. Es sind drei Schiffe . Ich habe Teilansichten von drei Schiffen in mir gespeichert, auch wenn ich sie nicht wirklich gesehen habe. Und die Schiffe lagen keineswegs dort, wo wir uns jetzt befinden sollten. Nichts ist so, wie es sein sollte.
    Mein Beutel schwebt immer noch vor meinem Liegesessel, denn ich habe ihn vor dem Schlafen dadurch gesichert,
dass ich mir die Kordelschnur ums Handgelenk gewickelt habe. Während ich die Sicherungsgurte des Sessels löse und in meinen Shorts frei durch den Raum schwebe, frage ich mich, wie man in der Schwerelosigkeit am besten pinkeln kann. Schließlich fällt mir die Wasserflasche ein, und ich beginne im Beutel herumzukramen.
    In diesem Moment höre ich Kreischen und Gebrüll, was dazu führt, dass ich mir vor Schreck in die Hosen pinkele, der Urin heraustropft und durch den Raum treibt.
    Was geht da draußen vor sich? Die lichtdurchlässigen Glaswände, die vorhin nur mit dickem Staub überzogen waren, weisen jetzt rötliche Spritzer und Schlieren auf. An einer Stelle kann ich einen verschmierten Handabdruck ausmachen und Spuren von Fingern, die sich offenbar gegen die Scheibe gepresst haben. Vage kann ich dahinter Schatten erkennen – Silhouetten, die sich bewegen, schneller und schneller. Wie ich am Licht merke, das von der großen Kuppel reflektiert wird, muss sich der Schneeball wieder direkt unter uns befinden.
    Es folgen hohl klingende Schläge, spitze Schreie und laute Heul- und Zwitschertöne, die entsetzlich klingen, doch abrupt abbrechen. Und es ist auch kein Gebrüll mehr zu hören – das Mädchen ist verstummt. Ich hoffe, dass die Kleine flüchten oder sich verstecken konnte.
    Als ich zum Eingang meiner Seifenblase blicke, der unmittelbar hinter dem Sessel liegt, sehe ich, wie etwas Großes, Rötliches durch die Öffnung greift und etwas
in meine Richtung schwingt. Ein Arm? Jedenfalls ist dieses Glied mit dicken Borsten oder Stacheln überzogen und endet in einer ausgezackten Keule – nein, einer Klaue. Ich versuche mich hinter dem Liegesessel zu verstecken, greife nach einem Sicherungsgurt, ziehe mich daran herunter und stapele Kissen über mich. Eingekeilt zwischen Sessel und Glaswand, bleibe ich liegen und bemühe mich, kein Geräusch zu machen. Beiße mir auf die Zunge, um nicht loszuschreien.
    Denn jetzt schlägt der rötliche Arm auf den Sessel ein, packt ihn und versucht ihn aus der Halterung zu reißen, um mich zu fassen zu kriegen. Das Monster weiß, wo ich bin, und will mich schnappen.
    Als wäre die Lage noch nicht schlimm genug, spüre ich jetzt einen Stoß, den nicht das Monster verursacht hat: Das Schiff rotiert wieder, die Schwere kehrt zurück. Unsichtbare Kräfte ziehen mich vom Liegesessel weg, an den ich mich weder schnell genug noch fest genug klammern kann, als die Beschleunigung zunimmt. Mit angespannten Muskeln halte ich mich am Gurt fest.
    Doch wenigstens befindet sich der stachelige Arm jetzt auf dem Rückzug. Ich sehe, wie er in weiten, hässlichen Bögen nach draußen schwenkt. Erneut spritzt Blut gegen die Glaswand. Ich kann das Blut sogar riechen – menschliches Blut, unangenehm süß. Mühsam unterdrücke ich ein Wimmern. Wenn ich es herauslasse, wird es sich zu Geschrei steigern, und dann wird der Monsterarm

Weitere Kostenlose Bücher