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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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ausgesetzt, der einem nichts als Kopfzerbrechen macht? Vielleicht ist dieses Schiff eine Art Gefängnis für nutzlose Menschen, hoffnungslose Versager oder hartnäckige Dienstverweigerer? Ein Gefängnis, von Monstern bewacht, die nichts anderes im Sinn haben, als uns Fallen zu stellen und später zu töten?
    Allerdings fressen diese Monster ihre Opfer nicht immer auf, wie der verweste Frauenleichnam in der Blase gezeigt hat. Erst jetzt frage ich mich, was aus dem Leichnam geworden ist, während wir schliefen. Ist irgendjemand oder irgendetwas zurückgekehrt, um die Geschichte zu Ende zu bringen? Hat es das verspeist, was von der Frau noch übrig war, nachdem das Fleisch angemessene Zeit »abgehangen« war?
    Auf dem Fußboden und an den Wänden des Korridors fallen mir plötzlich Blutflecken und Spuren weiterer Körperflüssigkeiten auf. Als ich stehen bleibe, um die Spritzer und Handabdrücke zu untersuchen, finde ich die scharfen rötlichen Spitzen einiger abgebrochener Stacheln. Also hat auch hier ein Kampf stattgefunden. Vielleicht hat das unbekannte Monster,
das Pushingar getötet hat, auch Picker und Satmonk verletzt? Aber warum hätte es die beiden so weit mitschleppen sollen? Und wohin will es überhaupt?
    Irgendwohin, wo es die beiden unbeobachtet und in aller Ruhe verspeisen kann. Es ist auf der Suche nach einem warmen Plätzchen, genau wie du.
    Das Licht wird schwächer, und die Kälte kehrt zurück. Vor mir sehe ich etwas Großes, Dunkles, Lädiertes über dem Geländer des Fußwegs baumeln. Ein weiterer toter Reiniger, genau wie der im Mülleimer des Schiffs. Als ich näher komme, sehe ich, dass der Körper in mehrere große Stücke zerteilt oder zerrissen wurde. Seine Hülle ist zerfetzt. Ringsum hat sich dunkle Flüssigkeit verteilt und ölige Spuren hinterlassen.
    Andere Leichen kann ich nicht sehen. Möglich, dass welche unterhalb des Reinigers verborgen sind. Als ich mich zu ihm hinüberbeuge und eine seiner erschlafften »Klauen« anhebe, kann ich jedoch keine Reste menschlicher Körperteile entdecken. Schnell quetsche ich mich an der zerfetzten Hülle, den leblosen Gliedern und den Köpfen mit den blinden Knopfaugen vorbei. Auch dieser hier hatte drei Köpfe, die jetzt nur noch jämmerlich wirken.
    Leichte Beute. Jeder kann einen Reiniger ohne Mühe töten. Es sei denn, man ist ein kleines Mädchen und wird vom Angriff eines Reinigers überrascht.
    Es dauert ziemlich lange, bis ich ans Ende des Korridors gelange. Die beiden tiefer liegenden Transportspuren enden an einer von zwei Halbkugeln eingefassten
grauen Wand. Den Abschluss des Fußwegs bildet eine zwei Meter breite runde Wandvertiefung, in deren Zentrum ein Kreis eingelassen ist.
    Als ich einen Blick hinter mich werfe, fällt mir ein schwacher Luftzug auf. Bald wird man in diesem Korridor nicht mehr überleben können. Vermutlich sind die Aussichtskuppel und der Leichnam von Pushingar bereits von einer Frostschicht überzogen. Falls ich dorthin zurückkehre, ist das mein Tod. Und anscheinend gibt es auch keinen Weg hier raus.
    Ich lege den Proviantbeutel auf den Boden. Die Wasserflasche der Kleinen und ihren Nährriegel habe ich nicht angerührt, denn ich bin ihr dankbar dafür, dass sie mich gerettet hat, mich nicht hat sterben lassen und mich so lange, bis zu diesem Punkt, immer wieder zum Überleben angestachelt hat. Falls wir uns wiedersehen, möchte ich ihr die Reste des Wassers und den Nährriegel geben.
    Während ich mich gegen die Wand am Ende des Fußwegs lehne, überlege ich laut: »Hat denn niemand außer mir auf diesem Schiff überlebt?«
    »Mit wem redest du?«, fragt eine Stimme. Einen Moment lang glaube ich, sogar mehrere Stimmen zu hören, aber es ist doch wohl nur eine einzige.
    Ich fahre von der Wand zurück und wirbele herum, obwohl ich nicht glauben kann, dass diese Stimme real ist. Ich will es auch gar nicht überprüfen, indem ich sie anspreche. Schon gar nicht will ich weitere Fragen stellen. Vielleicht gibt es nur noch wenige mögliche Antworten, auf die dann ewiges Schweigen folgt. Möglich,
dass ich mein Reservoir an zulässigen Fragen bereits aufgebraucht habe und nicht um weitere Informationen bitten darf. Dabei sind Informationen alles, was ich mir noch wünsche.
    Es wird merklich kälter.
    »Wie komme ich von hier aus weiter? Gibt es irgendwo eine Tür?« Die eigene Kühnheit verblüfft mich. Ich kann mich nicht mal daran erinnern, diese Fragen formuliert zu haben.
    »Woher stammst du? Und welcher Tätigkeit

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