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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Sie benutzt tatsächlich das Wort Geburtsort , das mir wirklich zuwider ist. Aber ich kann und will nicht mit ihr herumstreiten.
    »Wir brauchen Mutter«, erklären die beiden Mädchen – diesmal nicht ganz unisono.
    »Wo kommt ihr beiden eigentlich her?«, fragt der Gelbe. »Und wo habt ihr gelernt, die Transferkapsel zu steuern?«
    Die Mädchen schlingen die Arme noch fester umeinander. »Das ist unser Geheimnis«, flüstert eines von ihnen.
    »Sei’s drum«, sagt die Spinnenfrau. »Und was ist mit unserem anderen neuen Reisegefährten?« Sie blickt zum Knochenkammmann hinüber, der seit unserem Aufbruch von Schiffskörper 01 keinen Laut mehr von sich gegeben hat.
    »Verstehst du uns?«, fragt ihn der Gelbe.
    Erst nickt der Mann, dann schüttelt er den Kopf.
    »Ich weiß auch nicht, was wir tun sollen«, erklärt der Gelbe und verschränkt die Arme, was wegen deren
Umfangs kaum gelingt. »Aber ich schließe mich bedenkenlos der Mehrheit an.«
    Die Spinnenfrau legt die Hände wieder auf die Halbkugel. »Ich habe da was gefunden, unmittelbar hinter dem Bug. Sieht ganz so aus, als hätten alle Schiffskörper an ähnlichen Stellen Andockbuchten. Wenn ihr nichts dagegen habt, lege ich dort an.«
    »Vielleicht sollten wir …« Mein Zwilling führt den Satz nicht zu Ende. Ich weiß genau, was er gerade denkt – und zu welchem Schluss er bei genauerer Überlegung gekommen ist. Vielleicht werden wir feststellen, dass sich Schiffskörper 03 in einem genauso traurigen Zustand befindet wie 01. Wir können es schlicht nicht wissen. Doch wenn man in einen Sturm gerät, ist einem jeder Hafen recht, vor allem wenn die Alternativen darin bestehen, entweder mit absoluter Gewissheit zu zerschellen oder für alle Ewigkeit im tiefen Raum umherzutreiben.
    Das kleine Transferfahrzeug gibt keinen Mucks von sich. Weder ist etwas vom Triebwerk zu hören, noch etwas von einer schnellen Vorwärtsbewegung zu spüren, bis auf den sanften Schub der Pleuelstangen und Kolben. Doch wir halten tatsächlich an und haben dabei das Gefühl, dass die Kapsel an etwas viel Größeres und Massiveres angedockt hat und dort fest arretiert ist.
    »Schiffskörper 03«, verkündet die Spinnenfrau. »Falls der Mechanismus der vorderen Luke noch funktioniert, müssten wir sie von dieser Seite aus aufmachen können.«

    Eines der Mädchen schwebt zu der Abdeckung an der vorderen Luke hinüber. Ehe wir Einwände erheben können, schiebt es die Abdeckung zur Seite und öffnet die Luke. Dahinter empfängt uns warmer Lichtschein. Einen Moment lang frage ich mich, ob der Schiffskörper in Flammen steht, doch dann spüre ich die Kälte. Nein, hier wütet kein Brand. Die Luft ist kalt und frisch. Da drinnen ist lediglich die Notbeleuchtung eingeschaltet, die den Elementen – oder den Killern – zur Orientierung dient.

Schiffskörper 03
    D er große Gelbe bietet an, als Erster auszusteigen. Als ich dagegen protestiere, streckt er abwehrend eine Pranke hoch, blickt mir fest in die Augen und dreht sich zu Tsinoy um. »Falls ich nicht zurückkomme, gehst du mit einem der Lehrer los und versuchst herauszufinden, was passiert ist. Und wenn keiner von uns zurückkehrt«, sagt er zur Spinnenfrau, »legst du so schnell wie möglich ab und probierst es bei Schiffskörper 02 oder dort, wo du es am besten findest. 02 sieht zwar schlimm aus, aber vielleicht kann man dort trotzdem überleben. Ist zwar kein sonderlich attraktives Reiseziel, aber immerhin ein massiver Klotz, stimmt’s?«
    »Ich komme mit dir mit!«, erklärt eines der Mädchen. »Und meine Schwester bleibt hier.«
    »Nein«, widerspricht der Gelbe resolut. »Ich will mir über niemand anderen Sorgen machen müssen. Und mir macht die Kälte nichts aus, jedenfalls nicht viel. Vielleicht finde ich irgendeinen Schalter, mit dem ich die Heizung anstellen kann.«
    »Und woher willst du wissen, wo du suchen musst?«, fragt die Spinnenfrau.

    »Ich werde das Schiff mit meinem Scharfsinn bezwingen«, erwidert der Gelbe und steigt durch die Luke. »Schließ die Klappe hinter mir. Und schick mir Tsinoy und einen der Lehrer hinterher, wenn ich in … zehn Minuten nicht wieder da bin.«
    Aus irgendeinem Grund löst das Wort Minuten , das er so beiläufig ausgesprochen hat, bei mir eine weitere Flut von Assoziationen aus. Sekunden, Minuten, Stunden, Tage. Planeten, die sich um die eigene Achse drehen, so dass die eine Seite im Schatten liegt und die andere im Sonnenlicht badet. Monate, die sich zu einem Jahr summieren. Einem

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