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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Jahr, in dem der Planet in seiner Umlaufbahn einmal die Sonne umrundet … Die einzelnen Begriffe sind auch früher schon in meinem Gedächtnis aufgetaucht, nur nicht so deutlich wie jetzt. Die Hoffnung zu überleben macht mich offenbar sentimental. Mein Zwilling scheint in ähnliche Gedanken versunken zu sein. Beide bemerken wir kaum, wie sich die Luke hinter dem Gelben schließt.
    Eines der Mädchen nähert sich dem Knochenkammmann und begrüßt ihn mit Heultönen, die er offensichtlich versteht, denn er antwortet im selben Singsang.
    Tsinoy, der sich in Ruhestellung begeben hat und nicht mehr rührt, öffnet ein Auge.
    Schließlich beendet das Mädchen die Unterhaltung und erklärt: »Er hat nur Leichen gesehen. Und Elemente, die weitere Leichen aufgesammelt haben. Außerdem auch Killer. Wir sind die letzten Überlebenden von Schiffskörper 01.«

    »Wie ist er den Killern entkommen?«, frage ich.
    »Darüber will er nicht sprechen.«
    Der Knochenkammmann rollt sich wieder zusammen und schließt die Augen.
    Als mein Doppelgänger und ich zu den Mädchen hinüberschauen, erwidern die Zwillinge unsere Blicke. »Weiß eine von euch, wie man Zugang zum Katalog erhält?«, frage ich.
    Beide Mädchen schütteln den Kopf. »Wir beten immer nur darum, dass uns Lehrer geschickt werden«, erwidert eine der beiden. »Und Mutter sagt uns, wo wir Ausschau nach ihnen halten sollen. Aber die Lehrer halten nie lange durch, die sterben immer.«
    »Dann sind sie entweder zu neugierig oder zu langsam«, bemerke ich.
    »Oder beides«, setzt mein anderes Ich nach.
    »Wieso haltet ihr überhaupt nach Lehrern Ausschau, wenn sie so labil sind?«, fragt die Spinnenfrau. »Offenbar können Tsinoy und ich doch viele wesentliche Fragen beantworten. Wo sind wir in diesem Katalog, was das auch sein mag?«
    Anstatt zu antworten, schließen die Mädchen wieder die Augen und halten sich aneinander fest.
    Das Warten ist unerträglich. Ich nutze die Zeit dazu, mich nach Möglichkeit an weitere Einzelheiten des Katalogs zu erinnern. Vielleicht hätten wir von den Kontrollstationen im Bug von 01 aus Zugang zum Katalog erhalten können. Allerdings habe ich keine Ahnung, was wir damit hätten anfangen sollen. Erneut denke ich über die Reiseleitung nach. Und über die Hypothese
des Gelben, Tsinoys Fähigkeiten könnten darauf hinweisen, dass er zur Reiseleitung gehört.
    Erst in diesem Moment wird mir klar, dass sich bislang keiner von uns eine alternative Andockstelle überlegt hat, falls ein Überleben auf 03 unmöglich ist.
    »Wir könnten ja auch zu dem kleinen Mond hinunterfliegen und die Unterkünfte dort ausprobieren, oder nicht?«, werfe ich unvermittelt ein.
    »Wohin?«, fragt die Spinnenfrau verblüfft.
    Ich deute nach unten. »Zum Mond. Zu der Kugel.«
    Die Mädchen reagieren auf den Vorschlag mit versteinerten Mienen. Ich komme mir so vor, als hätte ich in einem Zimmer voll prüder alter Damen laut gerülpst. (Wieso denke ich jetzt an so etwas? Aber der Vergleich erscheint mir durchaus passend. Nur frage ich mich, ob das Wort prüde einen Geruch oder ein Verhalten charakterisiert.)
    »Es ist so, als existierte er gar nicht«, setzt mein anderes Ich nach. »Wir sehen ihn, reden sogar über ihn – aber dann verschwindet er einfach aus unserem Denken.«
    »Wer oder was verschwindet?«, frage ich, aber eigentlich will ich meinen Zwilling nur aufziehen. Er reagiert damit, dass er mich in die Seite boxt.
    »Stimmt. Dabei könnte der Mond durchaus ein Zufluchtsort sein«, räumt die Spinnenfrau ein und legt die Stirn vor Konzentration in Falten. »Wir dürfen nur nicht vergessen, dass er nach wie vor da unten liegt.«
    Die Mädchen mustern uns mit zusammengekniffenen Augen. Offensichtlich geht ihnen diese Wendung des Gesprächs völlig gegen den Strich.

    »Vielleicht ist es in unserer Prägung gar nicht vorgesehen, dass wir den Mond wahrnehmen«, überlege ich. Die Vorstellung, von Anfang an geprägt worden zu sein, macht mir immer noch schwer zu schaffen.
    »Aber ich erinnere mich an den Mond«, erklärt Tsinoy.
    Selbstverständlich. Schließlich tickt Tsinoy völlig anders als wir. »Gut, dann ruf auch uns den Mond immer mal wieder ins Gedächtnis«, erwidere ich.
    »Wieso arbeitet mein Verstand eigentlich so anders als eurer?«, fragt Tsinoy. »Mir macht es Spaß, über die Sterne, das interstellare Medium, Schutzschilde und … Geschwindigkeiten nachzudenken.«
    »Eine ziemlich spezielle Kombination«, stellt die Spinnenfrau fest.

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