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Das Schiff - Roman

Das Schiff - Roman

Titel: Das Schiff - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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auslöst. Wo ist der Gott, zu dem wir beten sollen? Wo sollen wir ihn suchen? Wir kennen sogar ein Gebet, haben es auf der Hochschule gelernt (die wir in Wirklichkeit nie besucht haben). Es ist mit einer bestimmten Religion verbunden, aber ich möchte meinen Kopf nicht unnötig mit den nutzlosen Einzelheiten belasten, die jetzt aus meinem Gedächtnis auftauchen. Allerdings bietet dieses Gebet ein wenig Hoffnung auf Erlösung von Zweifel und Kummer, wenn wir es noch richtig zusammenbekommen. Also spreche ich es laut.
    »Allmächtiger Schöpfer
segne uns
die wir klein im Geiste sind
mit Weisheit und Liebe.
Gib uns unser täglich Brot
und führe uns auf unserer Reise
durch unermessliche Weiten
zu einer freundlichen neuen Heimat.
Wir ehren den Weltenraum
der dein Gedächtnis ist.
Und streben nach der Weisheit
die du uns zuteilwerden lässt.
Amen.«
    Bei der dritten Zeile sprechen die meisten der Gruppe mit, nicht aber mein Zwillingsbruder. Er hört zwar aufmerksam zu, fällt aber nicht ins Gebet mit ein. Unsere Stimmen hallen von den Wänden zurück. Wir alle kennen dieses Gebet, gehören tatsächlich zu einer Familie – zumindest die meisten von uns.
    Die beiden Mädchen sind schon wieder verschwunden.
    Jetzt können wir auch eine fast unmerkliche neue Bewegung spüren. Der Lärm ist abgeebbt, wenn auch nur ganz leicht, und das deutet darauf hin, dass sich unser vorderes Schiffsprofil verändert hat, vielleicht sogar zusammengeschrumpft ist, was das auch heißen mag. Wir sind schon froh, dass überhaupt etwas geschieht, und wollen es nicht hinterfragen.
    Die vorderen Bullaugen sind inzwischen von Nebel beschlagen und wirken bereits wie zerfressen. Jetzt reichte schon etwas von der Größe eines …
    Sandkorns, um …
    In diesem Augenblick überziehen sich die Bullaugen mit aderähnlichen Rissen, und ein entsetzliches Kreischen nimmt uns buchstäblich den Atem: Aus dem Bug wird Luft herausgesaugt. Gleich darauf senken sich die inneren Abdeckungen über die Bullaugen, ohne dass uns Zeit bleibt, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Zugleich hört das Kreischen auf.
    Jetzt können wir nicht mehr nach draußen sehen, es sei denn, wir wagen uns in die bizarre virtuelle Welt der Schiffskontrolle vor, aber das überlassen wir vorläufig Nell. Wir schmiegen uns aneinander; nur Tsinoy gibt
sich damit zufrieden, mit eingezogenen Tatzen eine Pfote in den Kreis zu stecken, den wir in der Sicherheitszone gebildet haben.
    Vielleicht wollen wir uns auch gar nicht mit eigenen Augen davon überzeugen, wie nahe wir dem Tode sind.
    Vielleicht schützt uns das Gebet.
    Vielleicht …
    Nach einer kleinen Ewigkeit gesellt sich Nell zu uns. Vor Angst wissen wir nichts zu sagen. »Wir haben den ersten Fixpunkt erreicht«, erklärt sie. »Falls sie uns an diesem Punkt stoppen wollen, müssen sie mit uns reden.«
    »Und wenn sie’s nicht tun?«, fragt Kim.
    »Dann werden wir sie zermalmen und das Risiko eingehen, auf eigene Faust zu handeln. Bisher haben sie uns bewusst in die Irre geführt. Wer kann garantieren, dass sie uns nicht noch ein zweites Mal hintergehen? « Erst blickt sie meinen Zwilling an, dann mich. »Klingt das vernünftig in euren Ohren?«
    »Absolut«, erwidert mein Zwilling.
    »Wir sollten die Mädchen suchen gehen«, meint Nell.
    »Sie kennen sich hier ja aus«, wirft Kim ein, und Tomchin nickt zustimmend.
    Im Moment können wir kaum etwas tun, uns wegen des Lärms aber auch nicht ausruhen. Unsere Gedanken überschlagen sich. Trotz der Nahrungsration, die die zeltförmige Kammer uns gespendet hat – Tomchin und Tsinoy haben sie uns gebracht –, befinden wir uns schon halbwegs im Delirium.
    Nell lässt die Schiffskörper sehr lange (jedenfalls unserem Eindruck nach) am ersten Fixpunkt ausharren,
und trotzdem ist keine Veränderung zu verzeichnen: Bis jetzt hat niemand Kontakt mit uns aufgenommen. Die Reiseleitung ist uns so fern und fremd wie eh und je. Sie schweigt sich aus.
    Kim lässt ein Führungsseil los, stößt zu mir und meinem Zwilling vor, landet mitten zwischen uns und greift nach einem anderen Halteseil. In der Schwerelosigkeit bewegt er sich flink und effizient. Dabei hätte ich ihn eher als einen Typ eingeschätzt, der sich zum Bewohner einer Welt mit hoher Schwerkraft eignet, stämmig und stark, wie er ist – aber er ist für viele Überraschungen gut. »Wir werden immer noch mit Staub bombardiert«, bemerkt er. »Wie viel länger können wir noch warten?«
    Nell, die in der Nähe der

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