Das Schlangennest
Hand.
"Danke, ganz ausgezeichnet", antwortete Daphne, während sie sich gleichzeitig darüber ärgerte, daß Claudine an der Stirnseite des Tisches saß. So freundlich sie auch von ihr empfangen worden war, Claudine hatte keine Sekunde gezögert, Laura von ihrem Platz zu drängen.
"Das freut mich." Mrs. Forest führte die junge Frau zum Tisch.
Earl Forest deutete ein Nicken an. Er dachte nicht daran, aufz ustehen, doch sein Vater erhob sich. "Schade, daß wir uns unter so unglücklichen Umständen wiedersehen, Miß Baker", meinte er betrübt. "Ich wünschte, Ihre Schwester hätte sich nicht zu so einer schrecklichen Tag hinreißen lassen."
"Meine Schwester hat Richard nicht ermordet, Bruno", an twortete Daphne mit Nachdruck und setzte sich an den Tisch. Sie hatte Claudines Mann noch nie leiden können. Sie hatte etwas gegen Parasiten. Bruno Forest war erst dreiundfünfzig, hatte sich aber bereits vor Jahren ins Privatleben zurückgezogen und vom Geld seines Schwagers gelebt. Er behauptete, an einem großen Roman über England zu schreiben, hatte aber noch kaum ein Wort zu Papier gebracht.
"Sie sollten die Augen nicht vor den Tatsachen verschließen, Daphne", sagte Bruno Forest. "Bitte glauben Sie mir, niemanden tut es mehr leid als mir, was passiert ist. Ich habe immer etwas für Laura übriggehabt, aber was geschehen ist, ist nun einmal gesch ehen."
"Am besten, Sie reisen noch heute ab", schlug sein Sohn vor. "Weder mein Vater noch ich möchten Ihnen zu nahe treten, doch keinem von uns fällt es leicht, mit Lauras Schwester unter einem Dach zu leben."
"Ich werde nicht abreisen", erklärte Daphne und blickte ihm ins Gesicht.
"Warum sollten Sie auch?" fragte Claudine und lächelte ihr zu. "Die Männer mögen zwar darüber etwas anders denken, aber ich bin froh, daß Sie gekommen sind, Daphne. Wir sollten g emeinsam beratschlagen, wie wir Laura helfen können."
"Mutter!" stieß Earl hervor. "Hast du etwa vergessen, was diese Frau getan hat?"
"Mag sein, daß die Beweise gegen Laura sprechen, aber ich bin noch lange nicht davon überzeugt, daß sie Richard ermordet hat", antwortete Claudine.
Earl sah sie kopfschüttelnd an. "Verzeih, Mutter, aber manc hmal bist du hoffnungslos naiv."
"Earl, wie sprichst du mit deiner Mutter?" brauste Bruno Forest auf. "Sofort entschuldigst du dich."
"Laß nur, ich weiß es ja, wie es Earl meint", nahm seine Frau den Sohn in Schutz. Sie blickte zur Tür. "Ah, da kommen Mortimer und Isabel. Guten Morgen."
"Guten Morgen", grüßte Mortimer Hammond. Auf seinen Stock gestützt trat er ins Zimmer. Mit seinen weißen Haaren und von Furchen durchzogenem Gesicht wirkte er wie ein gütiger Großvater, doch Daphne wußte, daß sie sich keineswegs von seinem Äußeren täuschen lassen durfte. Hinter der faltigen Stirn des alten Mannes verbarg sich ein harter, glasklarer Verstand. Dennoch hatte Mort imer mit seinen Erfindungen niemals Erfolg gehabt, doch er war überzeugt, daß eines Tages die ganze Welt von ihm sprechen würde.
"Ich habe bereits gehört, daß Sie uns mit Ihrem Besuch beehren, Daphne", sagte er. "Alle Achtung vor Ihrem Mut. Immerhin hat Ihre Schw ester..."
"Meine Schwester hat nicht", fiel ihm die junge Frau ins Wort. "Hallo, Isabel", grüßte sie Mortimers Enkelin, die sich ohne sie auch nur anzusehen, an den Tisch gesetzt hatte.
"An Ihrer Stelle würde ich meine Sachen packen und verschwinden", zischte die junge Frau. "Was Ihre Schwester uns angetan hat, wird niemals mehr gutzumachen sein."
"Damit wären also die Fronten geklärt", bemerkte Daphne sark astisch. Sie war es durch ihre Arbeit gewohnt, gegen Widerstände anzukämpfen und dachte nicht daran, auch nur einen Millimeter nachzugeben. "Vergessen Sie nicht, dies ist auch das Haus meiner Schwester ist und ich bin überzeugt, daß Laura ganz sicher nichts dagegen hat, wenn ich hierbleibe und mich unter anderem, um die Kinder kümmere."
"Die Kinder haben Nancy. Sie brauchen Ihre Hilfe nicht." Isabel Hammond warf ihr einen wütenden Blick zu. "Meinen Sie wirklich, Sie brauchen hier nur auftauchen und könnten irgendwelche Rechte einfordern. Wenn..."
"Isabel, bitte", unterbrach sie Claudine. "Ich kann Daphne sehr gut verstehen. Wie gesagt, ich kann ja auch nicht so recht daran glauben, daß Laura Richard erstochen hat."
"Vergiß nicht den heftigen Streit, den Richard und Laura noch am Abend zuvor hatten", warf ihr Mann ein. "Wie gewöhnlich machte sie ihm wieder einmal völlig grundlos eine
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