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Das Schlangenschwert

Das Schlangenschwert

Titel: Das Schlangenschwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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augenblicklich den Verschluss ab und nahm einen Schluck. Ihre Augen wurden immer größer, und ich erwartete, dass sie das Lenkrad loslassen würde und die Automatik übernehmen müsste.
    Sie aber verschloss die Flasche, schob sie wieder in die Manteltasche und schaute auf die Straße. In dieser Zeitspanne hätte wir gut zehnmal im Straßengraben landen oder auf die Gegenfahrbahn abkommen können, doch der Autopilot verhinderte das.
    »Du hast was drauf, Alte!«, rief Rossi begeistert. »Tikkirej, schau dir das an! Ohne etwas dazu zu essen!«
    »Und nichts ist passiert«, meinte Rosi heiser.
    Das war natürlich Blödsinn. Wir hatten zwar keinen Unfall gebaut, aber ihr würde schlecht werden!
    »Rosi, das reicht dann aber bitte«, sagte ich, »ich weiß zwar, dass es einen Autopiloten gibt, aber ich hab trotzdem Angst.«
    »Okay, ich höre auf«, stimmte Rosi bereitwillig zu.
    Nach etwa zehn Minuten waren wir alle fröhlich. Sicherlich wegen des Alkohols. Rossi öffnete das Fenster auf seiner Seite und begann allen Autos, die wir überholten, zuzuwinken. Lion saß still da, trank von Zeit zu Zeit einen Schluck Bier, und mir schien, dass ihm der Ausflug auch Spaß machte.
    »Wir fahren an den See«, entschied Rosi, »ja? Dort ist eine Feuerstelle mit Bänken. Wir picknicken dort.«
    Sie sprach etwas lauter als gewöhnlich, hielt sich aber erstaunlich gut. Ich hatte sogar den Verdacht, dass Rosi nicht zum ersten Mal Cognac getrunken hatte.
    »Ja«, bestimmte Rossi, »das ist cool! Wir grillen Bratwürste!«
    Ich diskutierte nicht. Noch nie im Leben war ich auf einem Picknick gewesen und hatte keine Vorstellung davon, wo und wie man es am besten organisiert.
    Bald darauf bogen wir von der Schnellstraße in einen engen Weg ein, wo es sogar Straßenlaternen gab. Dann folgte ein richtiger Holperweg, eine unbefestigte Straße. Rossi erläuterte, dass es verboten war, im Wald normale Straßen zu bauen, um das Ökosystem nicht zu schädigen.
    Dem Jeep war es egal, ob Beton, Erde oder Schnee unter den Rädern war. Wir kamen voran, Rosi lenkte eifrig, und wenn sie Acht gab, mischte sich der Autopilot auch nicht ein. Kurz darauf erschien der See.
    Ich pfiff vor Überraschung, so schön war es!
    Unter der Kuppel hatten wir einen Fluss, der im Kreis herum floss und nur an einer Stelle unterirdisch verlief. Es gab auch einen kleinen See.
    Aber das alles war nicht natürlich, sondern von Menschen geschaffen. Und wenn der Fluss auch richtige Ufer und der See eine unregelmäßige Form hatte, man merkte doch, dass sie künstlich angelegt waren.
    Hier dagegen war der See fast rund. Und trotzdem natürlich! Auch die alten Bäume am Ufer hatte niemand angepflanzt, sie wuchsen wild: Bäume von der Erde, die sich angepasst hatten, und Überreste der einheimischen Flora. Hier lebten bestimmt auch richtige Tiere: Mäuse, Hasen und Füchse. Und Schnee lag nicht etwa auf den Zweigen, weil die Administration der Kuppel vor den Wahlen beschlossen hatte, allen ein echtes Neujahrsfest zu bescheren, die Temperatur herunterfuhr und die Beregnungsanlagen auf volle Auslastung stellte.
    Das waren See, Wald und Schnee. Hier konnte man wirklich spielen. Vielleicht sogar leben: in einem kleinen Haus, das mit Holzscheiten geheizt werden musste, und zu essen gab es Wild, das man im Wald geschossen hatte.
    Alles war echt!
    »Wunderschön!«, sagte ich.
    Das Auto fuhr bereits am Ufer entlang, links war der Wald, rechts eine verschneite Eisfläche.
    »Ja, schön«, stimmte Rossi zu.
    Sie verstanden es nicht. Sie waren reich, so unendlich reich, dass es einem den Atem verschlug! Neben ihnen lebte eine ganze Welt ihr eigenes Leben.
    Sie aber fuhren nur manchmal an den See zum Picknicken.
    Ich schaute auf Lion, nahm seine Hand und flüsterte: »Du verstehst mich, das weiß ich. Gerade du verstehst mich.«
    Wie schade, dass er mir ohne Befehl nicht antworten, seine Begeisterung nicht äußern und nicht auf dem Sitz herumspringen und sich umsehen konnte. Er hatte es ja früher noch schlechter als ich gehabt, er hatte überhaupt weder Sonne noch Himmel über dem Kopf.
    Wir fuhren an zwei oder drei Autos vorbei, die am See geparkt waren. Auch zum Picknicken. Bei den Autos waren Leute, die sogar große, warme Zelte und ein Grillgerät aufgestellt hatten. Vier junge Männer in Badehosen spielten im Schnee Fußball. Alle Achtung! Ich hatte am Morgen aufs Thermometer geschaut, es waren drei Grad unter null!
    »Das sind Eisbader«, kommentierte Rossi. »Sie kommen jeden

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