Das Schlangental - Neal Carey 3
Einbuchtung im Fels, vielleicht einszwanzig hoch, drei Meter breit, ein paar Meter tief.
Neal sah einen kleinen Mann ganz still auf dem Boden sitzen. Das Feuer, das irgendwo im Innern des Felsens zu lodern schien, beleuchtete ihn von hinten. Merkwürdigerweise gab es keinen Rauch. Der Mann konnte nicht größer als einsfünfzig sein, wenn überhaupt, und er sah uralt aus. Er schien in Kaninchenfell gehüllt zu sein. Sein Silberhaar war lang und matt.
Jory deutete hinter den alten Mann, dann zeigte er auf sich.
Der alte Mann schüttelte den Kopf. Dann zeigte er auf Neal.
Der Mann kauerte sich hin, und Neal sah das Licht hinter ihm brennen. Der Mann kroch zum Licht. Jory folgte ihm, und plötzlich verschwanden sie beide. Neal kroch auf allen Vieren ebenfalls ins hellste Licht.
Dahinter verbarg sich ein Loch, ein kleiner, runder Tunneleingang. Neal krabbelte etwa drei Meter durch völlige Dunkelheit, dann sah er die Höhle.
Dort brannte ebenfalls ein Feuer. Neben dem kleinen Feuer lag, eingewickelt in ein Schaffell, schmutzig und dünn, aber friedlich schlafend, ein kleines Kind. Das Gesicht war der Wärme des Feuers zugewandt, die Augen waren geschlossen. Die dünnen Lippen standen ein wenig offen, und Neal konnte sie beim Atmen zittern sehen.
Neal konnte jetzt stehen – ohne Probleme, in der Mitte war die Höhle bestimmt vier Meter hoch. Die Luft war klar, denn der Rauch des kleinen, effizienten Feuers verschwand in der hinteren Ecke der Höhle.
Neal ging hinüber zu dem Kind und hob vorsichtig das Schaffell vom Kopf des Jungen. Er betrachtete das schmutzige Blondhaar und flüsterte: »Hallo, Cody. Schön, dich kennenzulernen.«
Er deckte den Jungen wieder zu und sah Jory fragend an. Jory zeigte bloß auf die Höhlenwände.
Neal sah sich um und verstand plötzlich.
Niemand konnte sagen, wie alt die Höhlengemälde waren, aber selbst im düster flackernden Feuerlicht konnte Neal erkennen, daß sie unglaublich alt waren. Sie erzählten Geschichten aus einer Zeit, als die Menschen riesige Tiere zu Fuß jagten, die Frauen Samen und Wurzeln sammelten, und Donner und Blitz die Musik Gottes waren. Sie erzählten von einer Zeit, in der Männer gegen Löwen kämpften und Frauen ihre Kinder in der Sicherheit der Höhlen bargen, und in der Gott ihnen die Kinder manchmal nahm, zu sich in den Himmel rief.
Als Neal die Bilder sah, verstand er. Er verstand auf einmal, wie der arme kranke Jory, den man gelehrt hatte, was man ihn gelehrt hatte, und der entsetzliche Schrecken gesehen hatte, an diesen prähistorischen Ort kommen und glauben konnte, daß er den Ort gefunden hätte, an dem sich der verlorene Stamm Israel, die arischen Vorfahren, im Gelobten Land niedergelassen hatten.
Denn dort, wo noch Farben und Gesichter zu erkennen waren, war die Farbe dieser Gesichter auf ewig und unbezweifelbar weiß. Besonders bei dem kleinsten Wesen, eindeutig einem Kind, das die Arme zum Himmel empor streckte, in Richtung eines großen Wesens, das nicht ganz menschlich wirkte, und dessen Kopf aus drei konzentrischen Ovalen bestand. Das Haar des Kindes war gelb.
»Weiße Menschen«, sagte Jory. »Die Sons of Seth , die Söhne Jakobs. Das beweist, daß wir lange vor den Indianern hier waren. Der alte Mann hier sagt es sogar.«
Der alte Mann nickte und zeigte auf die Bilder. In einer Mischung aus seiner eigenen Sprache und Zeichensprache versuchte er, Neal die Geschichte seines Volkes zu erzählen, von den weißen Riesen, die einst auf der Erde waren. Sie waren starke und mutige Männer, wissende Männer. Und die Sonne liebte sie, also gab sie ihrem Haar die Farbe des Lichts und des Staubes, und ihren Augen die Farbe des Himmels. Denn sie sollten ihr am Himmel Gesellschaft leisten, und tatsächlich verschwanden die weißen Riesen eines Tages. Aber die Geschichte sagt, daß sie am Ende der Zeiten wiederkommen würden, wiederkehren würden, um die Erde zu beherrschen, um sie vor den neuen Weißen zu schützen, vor denen, die überall waren, aber keine wahren Menschen. Denn die neuen Weißen waren mit ihren Maschinen, Waffen und Seuchen gekommen und hatten die Erde geschändet, und der Großteil der Menschheit war gestorben. Die übrigen rannten davon und versteckten sich in den Bergen. Sie fanden die Schluchten und die Höhlen und warteten darauf, daß die weißen Riesen zurückkehrten. Warteten darauf, daß das geweissagte Kind der Sonne zurück an den heiligen Ort kehrte. Und diejenigen, die überall waren, aber keine wahren
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