Das Schlangental - Neal Carey 3
mit viel Mühe und Arbeit dem gefräßigen Beifuß abgerungen hatte. Dahinter fiel das Land sanft ungefähr hundert Meter ab, wahrscheinlich zu einem Flußbett hin, worauf ein paar Kiefern, die dort wuchsen, schließen ließen. Auf der anderen Seite des Flusses stieg das Land wieder an, an einem der Hügelausläufer der Toiyabe Range sogar recht steil.
Von hier aus waren die einzelnen Berge zu erkennen. Was aus der Entfernung wie eine große Masse ausgesehen hatte, war in Wirklichkeit eine Aneinanderreihung einzelner Gipfel, die durch schmale Grate verbunden waren. Von jedem Gipfel aus führte ein Abhang bis hinunter ins flache Land. Die Berge waren zum Teil dicht bewaldet, andere Bereiche wirkten kahl und steinig, auf wieder anderen blühten unglaubliche Mengen wilder Blumen. Die Wolken begannen, die Berggipfel einzuhüllen und die Spitzen sowie die scharfen Grate der Abrisse und Überhänge an der Westseite der Berge verschwimmen zu lassen.
Eine Aussicht, fand Neal, die sich aus verschiedenen Ebenen zusammensetzte: Die heimelige Veranda, der kämpferische Rasen, dann das Vieh draußen auf dem Weideland, und schließlich im Hintergrund die dramatisch aufragenden Berggipfel.
»Schön, nicht?« sagte Peggy, als sie wieder hereinkam.
»Mehr als schön.«
Sie trat neben ihn und sah zum Fenster hinaus. »Manchmal«, sagte sie, »stelle ich mir hier ganz einfach einen Stuhl hin und sitze bloß da. Wie geht es Ihrem Kopf?«
Besser als seit langem, Lady, und zwar nur, weil ich hier zum Fenster rausgucke. »Okay.«
»Klingt, als hätten sie ein bißchen Ärger gehabt.«
»Aber jetzt nicht mehr.«
Sie schaute noch einen Augenblick zum Fenster hinaus, als dächte sie darüber nach, ob sie etwas sagen sollte oder nicht.
»Was möchten Sie wissen, Mrs. Mills?« fragte Neal.
»Ich bin nicht gut im Smalltalk, Neal. Ich bin Mutter eines leicht zu beeindruckenden Teenagers, und ich möchte wissen, wen ich im Hause habe. Also, gibt es etwas, was ich über Sie wissen sollte?«
Wo soll ich anfangen, wo soll ich anfangen … »Ich hatte ein paar Probleme.«
»Drogenprobleme?«
»Nein.« Na ja, jedenfalls nicht meine Drogenprobleme.
»Probleme mit der Polizei?« fragte Peggy.
»Nein.«
Neal spürte ihren Röntgenblick. Sie sah einfach durch ihn hindurch.
»Sie versuchen also einfach nur, sich selbst zu finden?«
Nein. Ich versuche, Cody McCall zu finden. »So was Ähnliches«, sagte Neal.
Sie schaute ihn noch einen Augenblick an und sagte dann: »Nun, es gibt weitaus schlimmere Orte, um sich selbst zu finden.«
Steve kehrte zurück.
»Wie geht’s Eleanor?« fragte Peggy.
»Schlimmer als sonst. Sie hat zuviel Milch für das Kalb, und ihr Euter ist böse geschwollen. Da würdest du auch schreien.«
»Fährst du zu Hansen rüber?«
»Schätze schon«, seufzte Steve. »Ist schon in Ordnung. Ich hätte sowieso nichts gegen noch ein Kalb.«
»Ich zieh’ mir Schuhe an«, sagte Peggy.
»Nein«, sagte Steve. Er wandte sich an Neal. »Wollen Sie mit mir Cowboy spielen?«
Die Abzweigung zu Hansens Ranch befand sich ungefähr zwei Meilen entfernt die Straße hinunter. Das große, weißgestrichene schindelgedeckte Haus stand vielleicht eine halbe Meile östlich der Straße. Es gab einen zweistöckigen Mittelbereich mit zwei einstöckigen Flügeln, die schräg abfielen.
Die Ranch besaß nicht den lässigen Charme des amerikanischen Westens, sondern eine fast obsessive Aura von Effizienz und Ordnung. Weiße Zäune begrenzten die lange Auffahrt. Das Haus glänzte frisch weiß gestrichen, mit leuchtend roten Fensterläden. Zwei große Scheunen waren in Standardrot gestrichen, ebenso wie mehrere kleinere Gerätescheunen, eine Garage und eine große Schlafbaracke, die ein paar hundert Meter östlich des Hauses stand. Eine große Rasenfläche, grün vom Dünger und ordentlich gemäht, wurde durch einen Streifen Kalksteine von der Straße getrennt. Eine Herde Holsteiner in Schwarz und Weiß grasten auf einer rechteckigen Weide. Eine kleinere Herde hellbrauner Schweizer Charolaix grasten auf der Weide nebenan.
»Bob Hansen ist ein vorbildlicher Farmer«, erklärte Steve, als der alte Pick-up Hansens Auffahrt entlangrumpelte, »und das meine ich ernst. Er hat diesen Hof den Kaninchen abgeluchst, und er preßt aus jedem Quadratzentimeter heraus, was möglich ist. Bob verfügt nicht gerade über unglaublich viel Humor, und er gehört nicht zu den Leuten, mit denen man gerne zusammensitzt und ein Bier trinkt, aber er ist ein
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