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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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»Also«, sagte ich »Werft die Münzen hoch und fangt sie auf. Und wenn ich sage >Hand auf!< sehn wir nach, was jeder hat.« Wir warfen sie hoch und fingen sie auf. »Hand auf!« sagte ich. Ich hatte die ungerade Zahl. Shit, zwanzig Dollar! Einfach so.
    Ich stopfte mir die Zehner in die Tasche. »Hoch damit!« sagte ich. Wir warfen sie hoch. »Hand auf!« sagte ich. Ich hatte schon wieder gewonnen. »Hoch damit!« »Hand auf!« Diesmal gewann Fastshoes. Den nächsten Wurf gewann wieder ich. Dann hatte Jimmy einen Treffer. Ich gewann die nächsten beiden. »Augenblick«, sagte ich. »Ich muss mal pissen.« Ich ging ans Waschbecken und pinkelte. Wir hatten die Flasche Wein ausgetrunken. Ich öffnete die Schranktür. »Ich hab hier noch eine drin«, sagte ich zu den beiden.
    Ich nahm die meisten Scheine aus der Tasche und warf sie in den Schrank. Dann machte ich die Flasche auf und schenkte uns allen ein.
    »Scheiße«, sagte Fastshoes und sah in seine Brieftasche. »Ich bin fast pleite.«
»Ich auch«, sagte Jimmy.
»Ich frag mich, wer das ganze Geld hat«, sagte ich.
    Sie waren keine guten Trinker. Wein und Whisky durcheinander war schlecht für sie. Sie schwankten ein wenig.
    Fastshoes fiel gegen die Kommode und warf einen Aschenbecher herunter, der entzweiging.
»Heb das auf«, sagte ich.
»Einen Dreck heb ich auf«, sagte er.
»Ich sagte: >Heb das auf!<«
»Nix heb ich auf.«
    Jimmy bückte sich und hob die Scherben auf.
»Raus hier«, sagte ich zu den beiden.
»Du kannst mich nicht dazu zwingen«, sagte Fastshoes.
»Na schön«, sagte ich, »wenn du noch einmal den Mund aufmachst und einen einzigen Ton
sagst, stopf ich dir den Kopf in den Arsch!«
»Komm, Fastshoes. Gehn wir«, sagte Jimmy.
Ich hielt ihnen die Tür auf, und sie wankten an mir vorbei. Ich folgte ihnen auf dem Flur bis
zum Treppenabsatz. Dort blieben wir stehen.
»Hank«, sagte Jimmy, »bis später mal. Mach’s gut.«
»Okay, Jim …«
»Hör mal«, sagte Fastshoes, »du …«
    Ich knallte ihm eine rechte Gerade auf den Mund. Er fiel rückwärts die Treppe hinunter, drehte sich dabei um die eigene Achse und prallte von einigen Stufen ab. Er war ungefähr so groß wie ich, einsdreiundachtzig, und man konnte das Gepolter einen ganzen Block weit hören. Im Hausflur standen zwei Filipinos und die blonde Vermieterin. Sie sahen Fastshoes zu, wie er eine Bauchlandung machte, doch sie gingen nicht zu ihm hin. »Du hast ihn umgebracht!« sagte Jimmy.
    Er rannte die Treppe hinunter und drehte Fastshoes auf den Rücken. Fastshoes blutete aus
Mund und Nase. Jimmy hielt ihm den Kopf und sah zu mir hoch.
»Das war nicht recht, Hank …«
»So? Was willst du dagegen machen?«
    »Ich glaube«, sagte Jimmy, »wir kommen wieder rauf und schnappen dich …« »Moment mal«, sagte ich.
    Ich ging zurück in mein Zimmer und schenkte mir einen Wein ein. Die Pappbecher, die Jimmy mitgebracht hatte, waren mir unsympathisch, deshalb hatte ich die ganze Zeit aus einem leeren Marmeladenglas getrunken. Das Etikett klebte noch dran, verschmutzt und voll Weinflecken. Ich ging damit hinaus.
    Fastshoes kam langsam zu sich. Jimmy half ihm gerade auf die Beine und legte sich seinen
Arm um den Hals. Sie standen schwankend da.
»Also«, sagte ich, »was wolltest du sagen?«
»Du bist ein widerlicher Mensch, Hank. Dir gehört mal ‘ne Lektion.«
»Soll das heißen, ich seh nicht gut aus?«
»Es soll heißen, du benimmst dich widerlich.«
    »Schaff deinen Freund da raus, eh ich runterkomme und ihm den Rest gebe!«
    Fastshoes hob sein blutiges Gesicht. Er hatte ein geblümtes Hawaii-Hemd an, dessen Farben jetzt zum Teil unter roten Placken verschwanden.
    Er starrte zu mir hinauf. Dann sagte er etwas. Es kam sehr leise heraus, aber ich hörte es. Er
sagte: »Ich bring dich um …«
»Yeah«, sagte Jimmy. »Dich kriegen wir schon.«
    »Ach wirklich?« schrie ich. »Ihr Wichser! Ich geh nirgends hin! Ihr findet mich jederzeit in Zimmer fünf! Ich werde auf euch warten! Zimmer fünf! Könnt ihr euch das merken? Und die Tür lass ich offen!«
    Ich hob das Marmeladenglas voll Wein und trank es aus. Dann schleuderte ich es zu ihnen hinunter. Ich warf es mit ziemlicher Wucht, aber ich zielte schlecht. Es prallte an der Wand neben der Treppe ab und flog zwischen die Vermieterin und ihre beiden Filipino-Freunde. Jimmy drehte Fastshoes herum und bugsierte ihn langsam in Richtung Ausgang. Es war ein mühevoller, quälender Weg. Ich hörte Fastshoes noch einmal, halb stöhnend, halb schluchzend:

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