Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
über den Schreibtisch.
Er packte sie und pumpte sie mir auf und nieder. Dann stellte er das
Pumpen ein und sah mich an. Er hatte klare blaue Augen. Sie waren etwas
heller als seine Frackschleife. Man konnte sie beinahe schön
nennen. Er sah mich an und hielt meine Hand fest. Sein Griff wurde
stärker.
»Ich möchte dich beglückwünschen, daß du so ein harter Bursche bist.«
Sein Griff wurde noch stärker.
»Glaubst du, daß ich auch ein harter Bursche bin?«
Ich gab keine Antwort.
Er quetschte mir die Finger zusammen. Ich spürte jeden einzelnen Knochen. Sie schnitten mir
wie Messer ins Fleisch. Rote Blitze zuckten vor meinen Augen.
»Meinst du nicht, daß ich auch ein harter Bursche bin?«
»Ich bring Sie um«, sagte ich.
»Wie bitte?«
Mr. Knox drückte noch fester zu. Er hatte eine Hand wie ein Schraubstock. Ich konnte jede
Pore in seinem Gesicht sehen.
»Harte Burschen schreien nicht, oder?«
Ich konnte nicht mehr in sein Gesicht sehen, denn ich war inzwischen so verkrümmt, daß
meine Stirn die Schreibtischplatte berührte.
»Bin ich ein harter Bursche?« fragte Mr. Knox.
Er quetschte noch härter. Jetzt mußte
ich schreien, doch ich dämpfte es so weit, daß man es nicht
bis in die umliegenden Klassenzimmer hören konnte. »Na? Bin
ich ein harter Bursche?«
Ich zögerte es hinaus. Ich wollte es um
keinen Preis sagen. Dann sagte ich es doch. »Ja.« Er
ließ meine Hand los. Ich hatte Angst, sie anzusehen. Ich
ließ sie einfach seitlich herunterbaumeln. Mir fiel auf,
daß die Fliege verschwunden war. Eine Fliege zu sein, war nicht
so schlecht, dachte ich. Mr. Knox schrieb inzwischen etwas auf einen
Briefbogen. »So, Henry, ich schreibe deinen Eltern einen kleinen
Brief, und ich wünsche, daß du ihn mit nach Hause nimmst und
ihnen gibst. Und du wirst ihn auch abliefern, nicht wahr?«
»Ja.«
Er faltete das Blatt und steckte es in einen
Umschlag, den er mir über den Tisch reichte. Der Umschlag war
verschlossen. Ich hatte auch gar keine Lust, ihn aufzumachen.
8
Ich nahm den Brief mit nach Hause, gab ihn meiner
Mutter und ging auf mein Zimmer. Was ich an meinem Zimmer am meisten
schätzte, war das Bett. Auch tagsüber lag ich gerne
stundenlang darin, die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Im Bett war
alles gut. Es gab nichts, was mir in die Quere kommen konnte, keine
Menschen und nichts. Meine Mutter ertappte mich oft, wie ich am
hellichten Tag im Bett lag.
»Henry! Steh auf! Es ist nicht gut, wenn ein Junge den ganzen Tag im Bett liegt! Los, steh
auf! Tu was!«
Aber es gab doch nichts zu tun.
An diesem Tag legte ich mich erst gar nicht ins
Bett. Meine Mutter saß im Wohnzimmer und las den Brief. Bald
hörte ich sie schluchzen. Dann zeterte sie los. »Oh, mein
Gott! Daß du deinen Eltern so etwas antust! So eine Schande! Was
ist, wenn die Nachbarn dahinterkommen? Was werden die Nachbarn von uns
denken?« Dabei redeten sie mit den Nachbarn ohnehin nie ein Wort.
Dann ging die Tür auf, und meine Mutter kam hereingestürzt. »Wie konntest du deiner Mutter
so etwas antun!«
Die Tränen liefen ihr übers Gesicht. Ich fühlte mich schuldig.
»Warte nur, bis dein Vater nach Hause kommt!«
Sie warf die Tür hinter sich zu, und ich
saß auf meinem Stuhl und wartete. Irgendwie fühlte ich mich
schuldig …
Es wurde Abend. Ich hörte meinen Vater ins
Haus kommen. Er knallte immer die Tür zu, polterte mit seinen
Schuhen und redete mit lauter Stimme. Jetzt war er mal wieder da. Nach
einigen Augenblicken flog die Tür zu meinem Zimmer auf. Er war
einsfünfundachtzig groß, ein Schrank von einem Mann. Vor ihm
verblaßte alles. Der Stuhl, auf dem ich saß, die Tapete,
die Wände, meine ganzen Gedanken. Er verfinsterte sogar die Sonne.
Die rohe Gewalt, die in ihm rumorte, verscheuchte alles andere. Ich
konnte ihm nicht in die Augen sehen. Ich sah nur Ohren, Nase, Mund.
Dieses zornrote Gesicht. »All right, Henry! Ins
Badezimmer!«
Ich ging rein, und er machte die Tür hinter sich zu. Die Wände waren weiß, über dem
Waschbecken hing ein Spiegel, und das schwarze Fliegengitter vor dem kleinen Fenster hatte
Löcher. Ich starrte auf die Badewanne, die Toilette, die Fliesen. Er langte hoch und nahm von
einem Haken den dicken Lederriemen herunter, an dem er immer sein Rasiermesser schärfte.
Dieser ersten Bestrafung mit dem Riemen sollten noch unzählige folgen. Jedesmal ohne einen
richtigen Grund, wie ich fand.
»So, jetzt die Hosen runter.«
Ich zog meine Hose herunter.
»Die Unterhose auch.«
Ich zog auch die
Weitere Kostenlose Bücher