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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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herunter.
    Dann ließ er den Riemen niedersausen. Der
erste Hieb war ein solcher Schock, daß ich den Schmerz gar nicht
richtig spürte. Der zweite tat schon mehr weh. Mit jedem Hieb
wurden die Schmerzen heftiger. Anfangs war ich mir meiner Umgebung noch
bewußt, doch bald verschwamm alles vor meinen Augen. Er
verwünschte mich, während er auf mich einschlug, aber seine
Worte drangen nicht zu mir durch. Ich dachte an die Rosen, die er sich
im Garten zog. Ich dachte an sein Auto in der Garage. Ich gab mir
Mühe, nicht zu schreien. Ich wußte, daß er
wahrscheinlich aufhören würde, wenn ich schrie. Ich
wußte aber auch, daß er nur darauf wartete, mich schreien
zu hören, und das hinderte mich daran.
    Die Tränen liefen mir aus den Augen, aber
ich blieb stumm. Nach einer Weile waberte alles durcheinander, und ich
hatte nur noch die grausige Vorstellung, hier womöglich nie mehr
herauszukommen. Schließlich schien etwas in mir zu reißen.
Ich begann zu schluchzen. Ich schluckte und würgte an dem salzigen
Schleim, der mir in die Kehle rann. Mein Vater hörte auf.
    Dann war er auf einmal verschwunden. Langsam
erkannte ich wieder das kleine Fenster, den Spiegel. Und da am Haken
hing der Riemen, lang und braun und leicht verdreht. Ich konnte mich
nicht bücken, um mir die Hosen hochzuziehen, also ließ ich
sie unten und stolperte zur Tür. Ich machte die Badezimmertür
auf und sah meine Mutter im Flur stehen.
    »Das war nicht recht«, warf ich ihr vor. »Warum hast du mir nicht geholfen?«
    »Der Vater«, sagte sie, »hat immer recht.« Dann ließ sie mich stehen.
    Ich humpelte mit hängenden Hosen in mein
Zimmer und setzte mich auf die Bettkante. Die Matratze tat mir weh.
Draußen konnte ich die Rosen meines Vaters sehen, rot und
weiß und gelb. Sie waren groß und voll.
    Die Sonne stand schon sehr tief, und die letzten
schrägen Strahlen drangen durchs Fenster herein. Ich hatte das
Gefühl, daß selbst die Sonne meinem Vater gehörte.
Daß ich kein Recht hatte, von ihr beschienen zu werden, denn sie
schien nur auf das Haus meines Vaters. Ich war wie seine Rosen: etwas,
das ihm gehörte und nicht mir …

    9

    Als sie mich zum Abendessen riefen, war ich in
der Lage, mich wieder anzuziehen und nach vorn zur
Frühstücksnische zu gehen, wo wir an Wochentagen alle unsere
Mahlzeiten einnahmen. Auf meinem Stuhl lagen zwei Kissen. Ich setzte
mich darauf, doch mein Hintern und die Unterseiten meiner Schenkel
brannten immer noch wie Feuer. Mein Vater redete wie üblich von
seinem Job.
    »Ich hab Sullivan gesagt, er soll drei
Routen zu zweien zusammenlegen und aus jeder Schicht einen Mann
entlassen. Die kriegen dort alle keinen richtigen Zug rein
…«
    »Sie sollten wirklich auf dich hören, Daddy«, sagte meine Mutter.
    »Bitte«, sagte ich, »entschuldigt, aber mir ist nicht nach essen …«
    »Du ißt deinen Teller leer!« sagte mein Vater. »Deine Mutter hat dieses Essen gekocht!«
»Ja«, sagte sie. »Möhren und Erbsen und Rinderbraten.«
»Und Kartoffelbrei mit Soße«, sagte mein Vater.
»Ich hab keinen Hunger.«
    »Du wirst deinen Teller leermachen! Bis du
Erbsen pissen tust!« kam es von meinem Vater. Er versuchte,
witzig zu sein. Diesen Spruch brachte er immer besonders gerne an.
    »DADDY!« sagte meine Mutter und sah ihn schockiert und entgeistert an.
    Ich begann zu essen. Es war entsetzlich. Ich kam
mir vor, als würde ich sie essen. Alles, woran sie glaubten und
wofür sie standen. Ich kaute nicht, ich schluckte einfach alles
runter, um es los zu sein. Mittlerweile sprach mein Vater davon, wie
gut alles schmeckte und wie glücklich wir uns schätzen
konnten, daß wir gut und reichlich zu essen hatten, während
die meisten Menschen auf der Welt - und sogar viele in Amerika - arm
waren und hungern mußten. »Was gibt’s zum Nachtisch,
Mama?« fragte er.
    Sein Gesicht war grauenhaft. Diese
vorgestülpten Lippen, fettig und naß und genießerisch.
Er benahm sich, als sei nichts gewesen, als habe er mich überhaupt
nicht verprügelt. Als ich wieder in meinem Zimmer war, dachte ich:
Diese Menschen sind nicht meine Eltern. Sie müssen mich adoptiert
haben, und jetzt sind sie enttäuscht, weil ich nicht so geworden
bin, wie sie dachten.

    10

    Nebenan wohnte ein Mädchen, das Lila Jane
hieß und in meinem Alter war. Ich durfte immer noch nicht mit den
Kindern aus der Nachbarschaft spielen, aber in meinem Zimmer zu sitzen,
wurde oft langweilig. Also ging ich ab und zu hinters Haus, lief im
Garten herum und sah mir an,

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