Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
noch Rasen mähen.
Als ich mit dem hinteren Rasen anfing, standen
meine Eltern auf der Veranda hinter dem Haus und sahen mir zu. Sie
standen regungslos da und sagten keinen Ton. Doch als ich einmal mit
dem Mäher dicht an ihnen vorbeikam, hörte ich meine Mutter zu
meinem Vater sagen: »Schau mal, er schwitzt gar nicht wie du,
wenn du den Rasen mähst. Sieh doch, er wirkt so ruhig.«
»Ruhig? Er ist nicht ruhig — er pennt!« Als ich
wieder vorbeikam, brüllte er mich an: »Schieb das Ding
schneller! Du bewegst dich wie eine Schnecke!«
Ich schob schneller. Es war anstrengend, aber es
gab mir ein gutes Gefühl. Ich legte noch mehr zu. Ich rannte fast
mit dem Mäher über den Rasen. Das Gras wurde mit solcher
Wucht nach hinten geschleudert, daß das meiste über den
Grasbehälter hinausflog. Ich wußte, daß ihn das
ärgern würde. »Du Mistkerl!« brüllte er.
Er rannte von der Veranda herunter und verschwand
in der Garage. Als er wieder herauskam, hatte er ein Stück Holz in
der Hand. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er es nach mir warf. Ich
sah es kommen, aber ich machte keinen Versuch, ihm auszuweichen. Es
traf mich hinten an die rechte Wade. Der Schmerz war fürchterlich.
Das ganze Bein verkrampfte sich, und ich mußte mich zu jedem
Schritt zwingen. Ich schob den Rasenmäher weiter und versuchte,
nicht zu humpeln. Als ich umdrehte, um die nächste Bahn zu
mähen, lag mir das Stück Holz im Weg. Ich hob es auf, legte
es auf die Seite und mähte weiter. Plötzlich stand mein Vater
neben mir. »Halt!« Ich blieb stehen.
»Du machst jetzt nochmal den Teil, wo dir
das ganze Gras rausgeflogen ist! Hast du verstanden?«
»Ja.«
Er ging zurück auf die Veranda und stellte sich wieder neben meine Mutter.
Als letztes mußte das Gras zusammengekehrt
werden, das auf dem Bürgersteig gelandet war, und dann mußte
ich den Bürgersteig noch mit dem Schlauch abspritzen. Als auch das
endlich getan war, mußte nur noch der Rasensprenger auf den
hinteren Rasen. Fünfzehn Minuten für jeden Teil. Ich
schleifte den Gartenschlauch nach hinten und wollte gerade den
Rasensprenger anstellen, als mein Vater aus dem Haus kam.
»Eh du den Rasensprenger anstellst, will ich den Rasen hier erst mal kontrollieren.«
Er marschierte in die Mitte der Rasenfläche, ging auf Hände und Knie herunter, legte den
Kopf schräg aufs Gras und spähte nach einem Halm, der womöglich noch hochstand. Er
verdrehte den Hals, spähte und spähte, ringsherum. Ich wartete ab.
»AHA!«
Er sprang auf und rannte ins Haus.
»MAMA! MAMA!«
»Was ist denn?«
»Er hat einen stehen lassen!«
»Wirklich?«
»Komm mit, ich zeig es dir!«
Im Eilschritt kam er aus dem Haus, gefolgt von meiner Mutter.
»Hier! Komm! Ich zeig es dir!«
Er ging auf Hände und Knie herunter.
»Ich seh es! Ich seh sogar zweil«
Meine Mutter kniete sich neben ihn. Ich fragte mich, ob die beiden den Verstand verloren
hatten.
»Siehst du sie?« fragte er sie. »Zwei Halme! Siehst du sie?«
»Ja, Daddy, ich sehe sie …«
Sie standen auf. Meine Mutter ging zurück ins Haus. Mein Vater baute sich vor mir auf. »Rein mit dir!«
Ich ging auf die Veranda und ins Haus. Mein Vater folgte mir auf den Fersen.
»Ins Badezimmer!«
Er machte die Tür hinter uns zu.
»Die Hosen runter!«
Ich hörte, wie er den Riemen vom Haken
zerrte. Mein rechtes Bein schmerzte immer noch. Es half nicht,
daß ich den Riemen schon viele Male erduldet hatte. Daß die
ganze Welt da draußen meinem Schicksal gleichgültig
gegenüberstand, half auch nicht. Millionen von Menschen waren da
draußen, Hunde und Katzen und Taschenratten. Gebäude.
Straßen. Doch das existierte alles nicht. Es gab nur meinen Vater
und den Riemen und das Badezimmer und mich. An dem Riemen schärfte
er jeden Morgen sein Rasiermesser, und ich haßte ihn jedesmal,
wenn er mit eingeseiftem Gesicht vor dem Spiegel stand und sich
rasierte. Der erste Hieb sauste nieder. Der Riemen machte ein flaches
lautes Geräusch, und das Geräusch war fast so schlimm wie der
Schmerz. Wieder landete der Riemen auf meinem Hintern. Es war, als sei
mein Vater eine Maschine. Ich kam mir vor wie in einer Gruft. Bei jedem
Hieb dachte ich, das müsse jetzt ganz bestimmt der letzte sein.
War es aber nicht. Wieder holte mein Vater aus und schlug zu. Ich
empfand keinen Haß mehr. Nur noch ein ungläubiges Staunen,
daß es so etwas wie ihn geben konnte. Ich wollte nur noch weg von
ihm. Nicht einmal heulen konnte ich. Dazu war ich zu angewidert und
verwirrt. Noch einmal landete
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