Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Mädchen?«
»Es ist wegen meinem Bruder. Er ist krank. Ich muss mich um ihn kümmern.« »Krank?«
»Noch schlimmer. Krebs. Seine Pisse läuft durch einen Schlauch in eine Flasche, die sie ihm ans Bein geschnallt haben.«
Ferris kam wieder zur Sache. »Für den Anfang bekommen Sie einen Stundenlohn von vierundvierzig-einhalb Cents. Gewerkschaft gibt’s hier nicht. Die Geschäftsleitung findet, was gut für die Firma ist, ist auch gut für euch. Wir sind wie eine Familie. Dienst am Kunden und Gewinn machen, darum geht’s uns. Unsere Angestellten bekommen auf alle Waren, die sie bei Sears-Roebuck kaufen, zehn Prozent Rabatt…« »OH, BOY!« entfuhr es Mewks.
»Ja, Mr. Mewks, das ist eine lohnende Sache. Tun Sie Ihr Bestes für uns, dann tun wir auch was für Sie.«
Ich könnte siebenundvierzig Jahre bei Sears-Roebuck bleiben, dachte ich. Ich konnte mit einer verrückten Freundin leben, mir das linke Ohr absäbeln lassen und vielleicht den Job von Ferris erben, wenn er in den Ruhestand ging.
Ferris gab uns noch die Regelung für Urlaub und Feiertage bekannt, dann war der Vortrag beendet. Wir bekamen unsere Kittel und Spinde, und dann mussten wir uns in den Keller begeben, wo das Warenlager war.
Ferris arbeitete auch da unten. Er bediente die Telefone. Wenn ein Anruf kam, hielt er den
Hörer jedes Mal mit der linken Hand an sein halbes linkes Ohr und klemmte die rechte Hand
unter die linke Achselhöhle. »Ja? Ja? Ja! Kommt sofort!«
»Chinaski!«
»Ja, Sir.«
»Wäscheabteilung …«
Dann griff er zum Bestellblock, notierte die angeforderten Sachen und die jeweilige Stückzahl. Er machte es nie, während er den Hörer noch am Ohr hatte. Immer erst danach.
»Suchen Sie das zusammen, liefern Sie es in der Abteilung Damenunterwäsche ab, lassen Sie
den Zettel gegenzeichnen, und kommen Sie wieder.«
Sein Spruch änderte sich nie.
Meine erste Lieferung war tatsächlich für die Abteilung Damenunterwäsche bestimmt. Ich suchte die Sachen zusammen, verstaute sie in meiner kleinen grünen Karre mit Gummirädern und ging damit zum Lift. Der Lift war in einem der oberen Stockwerke. Ich drückte auf den Knopf und wartete. Nach einiger Zeit erschien der Boden des Fahrstuhls. Er kam sehr langsam herunter. Schließlich blieb er im Kellergeschoss stehen, die Tür ging auf, und ich sah, dass der Lift von einem Albino bedient wurde, der nur noch ein Auge hatte. O Gott. Er sah mich an. »Neu hier, hm?« fragte er. »Ja.« »Was hältst du von Ferris?« »Ich finde, er ist ein richtiger Pfundskerl.«
Wahrscheinlich teilten sich die beiden ein Zimmer und bedienten abwechselnd die elektrische Kochplatte.
»Ich kann dich nicht raufbringen.«
»Warum nicht?«
»Ich muss mal scheißen.«
Da stand ich also in meinem Kittel. So lief es meistens. Man war Gouverneur oder Müllmann, Seiltänzer oder Bankräuber, Zahnarzt oder Birnenpflücker, dies oder jenes. Man wollte ordentliche Arbeit leisten, erschien pünktlich auf seinem Posten, und dann stand man herum und wartete auf irgendein Arschloch. Ich stand in meinem Kittel neben meiner grünen Karre, und der Fahrstuhlmann nahm sich Zeit für einen Schiss.
Jetzt ging mir ein Licht auf. Das war es, worüber die reichen goldenen Boys und Girls immer
lachten. Sie wussten Bescheid.
Der Albino kam zurück.
»Ah, war das gut. Ich fühl mich dreißig Pfund leichter.«
»Gut. Können wir jetzt?«
Er schloss die Tür, und wir fuhren hoch zur Verkaufsetage.
»Viel Glück«, sagte er, als er mich herausließ.
Ich schob die grüne Karre durch die Gänge und suchte die Wäscheabteilung. Eine Miss Meadows war dort zuständig.
Miss Meadows erwartete mich schon. Sie war schlank und sah nach Klasse aus. Sie wirkte wie ein Mannequin. Ihre Arme waren verschränkt. Als ich näher kam, fielen mir ihre Augen auf. Sie waren smaragdgrün und tief und schienen einiges zu wissen. So eine müsste ich mal kennen, dachte ich. Solche Augen. So was von Klasse. Ich hielt meine Karre vor ihrem Verkaufsstand an. »Hallo, Miss Meadows«, sagte ich mit einem Lächeln. »Wo zum Teufel sind Sie so lange gewesen?« fragte sie. »Es hat eben so lang gedauert.«
»Können Sie sich nicht denken, dass ich hier Kunden warten habe? Ist Ihnen nicht klar, dass ich versuche, die Abteilung hier in Schwung zu halten?«
Die Verkäufer bekamen in der Stunde zehn Cents mehr als wir, und dazu eine Kommission für jeden Artikel, den sie verkauften. Ich sollte bald feststellen, dass sie uns nie freundlich begegneten. Ob weiblich oder
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