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Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend

Titel: Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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Heute.«
»Ah.«
»Mit dem Abschnitt voran steckt man die Karte ein. So …«
Er steckte sie rein und zog sie wieder heraus.
»Und wenn Ihre Karte drin ist, drücken Sie diesen Hebel herunter.«
Ferris zog an dem Hebel, obwohl die Karte gar nicht drin war.
»Verstehe. Kann losgehn.«
»Nein, warten Sie noch.«
Er hielt mir die Karte unter die Nase.
    »Wenn Sie Mittagspause machen, stempeln Sie diesen Abschnitt hier.« »Ja. Verstanden.«
    »Und nach der Mittagspause den Abschnitt daneben. Die Pause dauert dreißig Minuten.« »Dreißig Minuten. Alles klar.«
    »Also, und wenn Sie Feierabend machen, stempeln Sie den letzten Abschnitt. Sie müssen also jeden Tag viermal stempeln. Dann gehn Sie nach Hause oder in Ihre Bude oder was weiß ich, schlafen sich aus, kommen wieder und machen Ihre vier Stempel, jeden Arbeitstag, bis Sie entweder gefeuert werden oder kündigen oder sterben oder in Rente gehn.« »Alles klar.«
    »Und jetzt muss ich Ihnen noch sagen, dass ich wegen Ihnen zu spät zu meiner Belehrung für die neuen Angestellten komme. Zu denen Sie vorläufig noch gehören. Ich habe hier das Sagen. Mein Wort ist Gesetz, und was Sie wollen, ist unwichtig. Wenn mir etwas an Ihnen nicht passt - wie Sie sich die Schuhe zubinden oder die Haare kämmen oder einen Furz lassen -, dann sitzen Sie wieder auf der Straße. Kapiert?« »Ja, Sir!«
    Mit wehenden Haaren rannte und schlingerte jetzt ein junges Mädchen auf Stöckelschuhen herein. Sie trug ein enges rotes Kleid. Ihre Lippen waren groß und ausdrucksvoll und übertrieben geschminkt. Sie nahm mit theatralischer Gebärde ihre Karte aus dem Regal,
    stempelte ein, gab ein leicht erregtes Keuchen von sich und steckte die Karte wieder an ihren
Platz.
Sie warf Ferris einen Blick zu.
»Hi, Eddie!«
»Hi, Diana!«
    Diana war offensichtlich Verkäuferin. Ferris ging zu ihr, und die beiden unterhielten sich. Ich konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber ich hörte sie lachen. Dann ging Diana nach hinten und wartete auf den Fahrstuhl, der sie zu ihrem Arbeitsplatz bringen sollte. Ferris kam zu mir zurück. Er hatte noch immer meine Karte in der Hand. »Ich werde jetzt einstempeln, Mr. Ferris«, sagte ich.
    »Lassen Sie mich das tun. Ich möchte, dass Sie richtig anfangen.« Er steckte meine Karte in den Schlitz und wartete.
    Ich hörte die Stechuhr ticken. Dann drückte er den Hebel herunter. Er stellte die Karte zurück
ins Regal.
»Wie viel war ich zu spät, Mr. Ferris?«
»Zehn Minuten. Kommen Sie jetzt.«
Ich folgte ihm.
    Ich sah sie schon warten: vier Männer und drei Frauen. Alle waren alt. Sie hatten Probleme mit ihrem Speichel. Kleine Klümpchen hatten sich in ihren Mundwinkeln gebildet, waren angetrocknet und weiß geworden, und frische glänzende Spucke war nachgekommen. Manche waren zu dünn, manche zu dick. Einige waren kurzsichtig, andere zitterten. Ein alter Kerl in einem knallbunten Hemd hatte einen Buckel. Alle lächelten, rauchten Zigaretten und husteten. Da wurde es mir klar: Sears-Roebuck suchte Leute, die blieben. Die Firma hielt nichts von häufigem Wechsel beim Personal. Diese neu Eingestellten hatten nur noch das Grab vor sich, und bis dahin würden sie dankbare und treue Angestellte sein. Und ich war dazu ausersehen, an ihrer Seite zu arbeiten. Die Dame im Personalbüro hatte mich auf Anhieb in diese klägliche Gruppe von Verlierern eingeordnet.
    Was würden die Jungs aus der Highschool denken, wenn sie mich hier sahen? Mich, einen der Abgebrühtesten des ganzen Jahrgangs …
    Ich stellte mich zu meiner Gruppe. Ferris setzte sich uns gegenüber auf einen Tisch. Durch ein Oberlicht fiel ein Streifen Sonne auf ihn. Er zog an seiner Zigarette und lächelte uns an. »Willkommen bei Sears-Roebuck …«
    Dann schienen seine Gedanken abzuschweifen. Vielleicht dachte er an den Tag vor fünfunddreißig Jahren, als er in die Firma eingetreten war. Er blies ein paar Rauchringe und sah ihnen zu, wie sie aufstiegen. Sein halbes Ohr wirkte eindrucksvoll in dem Licht von oben. Der Kerl neben mir, ein kleiner verhutzelter Mann, stieß mich mit seinem spitzen Ellbogen an. Er gehörte zu jenen Brillenträgern, denen das Gestell dauernd von der Nase zu rutschen scheint. Er war noch hässlicher als ich. »Hü« flüsterte er. »Ich bin Mewks. Odell Mewks.« »Hallo, Mewks.«
    »Hör zu, Kid, wie wär’s, wenn wir nach Feierabend ‘ne Tour durch die Kneipen machen?
Vielleicht können wir ein paar Girls aufgabeln.«
»Ich kann nicht, Mewks.«
    »Angst vor

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