Das Schlitzohr
sich ja auch nicht zu lange
in der Gärtnerei aufhalten, damit sie nicht merkten, daß in allen Beeten nur
fertige Verkaufsware und keine Nachzucht vorhanden war. Solche Szenen waren für
unseren Chef förmlich Lebenselixier, und er fühlte sich mehr als großer
Wirtschaftskapitän denn als tüchtiger Gärtner. So pflegte er seine Gärtnerei
meist nur mit einem Fernrohr aus den Fenstern seines Hauses zu überwachen und
auf diese Weise die einzelnen Handgriffe der arbeitenden Gärtner zu
kontrollieren, denn er war immer hinter noch rationelleren Arbeitsmethoden in
der Gärtnerei her.
Er erwarb sich auch große Verdienste um
die Förderung der gärtnerischen Berufsausbildung. Seiner Initiative war schon
1921 die Gründung einer gärtnerischen Berufsschulklasse in Lindau zu verdanken,
in der wir Botanik bei Studienprofessor Knöpfle, Landschaftsgärtnerei bei einem
trinkfreudigen Gartenarchitekten aus Wasserburg und Zierpflanzenbau bei einem
Gärtnermeister aus der Umgebung lernten. Auch die Einführung von
Lehrlingsprüfungen war sein Werk. Hier zeigte sich auch die Güte der Ausbildung
in seinem Betrieb, denn sowohl in der Praxis als auch in der Theorie schnitten
seine Lehrlinge am besten ab.
Praktisch leiteten die beiden
Obergärtner den Betrieb. Der erste Obergärtner war ein gemütlicher,
trinkfreudiger Allgäuer Lindauer Prägung, der einen kräftigen Scherz, eine
zupackende Art und seine Ruhe liebte. Das hatte ich bald heraus, und wenn ich
eine Arbeit beendet hatte, fragte ich ihn nicht nach neuer Arbeit, sondern
gleich, ob ich da und da helfen sollte. Daß es sich dabei immer um Tätigkeiten
handelte, die mir besonderen Spaß machten oder mich interessierten, versteht
sich von selbst. Der Obergärtner, der durch diese Fragestellung des unbequemen
Nachdenkens enthoben war, stimmte meinen Vorschlägen meist zu, und ich bekam
sehr zum Ärger meiner Mitstifte die Tätigkeit, die ihnen natürlich auch sehr
gut gefallen hätte.
Der zweite Obergärtner war das, was man
in Bayern einen »Zugroasten« nennt. Dies kam in seiner raschen preußischen Art
zum Ausdruck und verschaffte ihm wenig Freunde. Zudem hatte er uns Lehrlingen
gegenüber eine rutschige Hand, was wiederum von uns im allgemeinen und mir im
speziellen gar nicht geschätzt wurde.
Gewissermaßen als dritter Obergärtner
fungierte der Landschaftsgärtner. Er war mein Idol, weil er über ungeheure
Körperkräfte verfügte. Er nahm einen Baum, den zwei Männer mit hängender Zunge
gerade schleppen konnten, einfach auf die Schulter, als ob es sich um eine
Zaunlatte handelte.
Wir Lehrlinge und die meisten Gehilfen
unterstanden direkt dem ersten Obergärtner und wurden an die anderen nach
Bedarf ausgeliehen. Unter ihrer Aufsicht mußte wohl hart gearbeitet werden, so
daß man abends müde ins Bett sank und traumlos bis zum anderen Morgen schlief,
bis der Wecker rasselte, aber diese körperliche Arbeit machte mir großen Spaß.
Es gab auch Arbeiten, die mir weniger Freude bereiteten. Wenn es zum Beispiel
hieß: »komm, jetzt wirst du katholisch«, wußte ich, was es geschlagen hatte.
Man mußte tage-, ja wochenlang auf einem Brett knien, das auf die Seitenwände
eines Frühbeetes gelegt war, und winzig kleine Pflänzchen in die Erde pikieren.
Da ich schon damals über ein recht beachtliches Gewicht verfügte, taten mir
schon nach wenigen Stunden die Knie schauderhaft weh, und das steigerte sich
von Tag zu Tag. Man freute sich über jeden Regentag, an dem es unmöglich war,
in den Frühbeeten zu pikieren. Aber wenn es nicht gerade Schmiedknechte samt
Amboß regnete, mußte man, wenn es irgendwie ging, im Freien weitermachen. Hatte
man eine Arbeit unter Dach, wie etwa Umtopfen, so mußte man jede Pause während
den einzelnen Regengüssen ausnutzen, um die vertopften Pflanzen im Frühbeet
einzusenken und frische Verpflanzware unter Dach zu bringen. Das klappte aber
nicht immer. Solange der Obergärtner nicht in der Nähe war, empfanden wir das
als recht angenehm. Man vertrieb sich die Zeit dann eben mit munteren Reden.
Wenn allerdings der Obergärtner alle Augenblicke vorbeikam, konnte man nicht
unbeschäftigt herumstehen. Da blieb nichts anderes übrig, als die bereits
vertopften Pflanzen wieder auszutopfen und aufs neue mit größeren Töpfen zu
versehen. So bot sich das Bild emsiger Tätigkeit, was auch vom Chef mit
Wohlgefallen wahrgenommen wurde.
Der Kavalier
schweigt und friert
Einen großen Teil meiner Freizeit
verbrachte ich bei
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