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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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wieder
als liebestrunkener Aquavelocipedist.
     
     
     

Mäusebrot und
Kränzebinden
     
     
    Mit meiner körperlichen Entwicklung
ging eine erschreckende Entwicklung meines Appetits Hand in Hand. So kam es,
daß mir meine Brotmarken hinten und vorne nicht ausreichten. Es war für mich
ein Glück, daß ich einen Bäcker in der Nachbarschaft überreden konnte, mir von
Mäusen angefressene Brotlaibe zwar ohne Marken, aber zum vollen Preis zu
überlassen. Von da ab konnte ich täglich mindestens einen Zweipfundlaib
aufessen. Aber die Freude war von kurzer Dauer, denn dank eines tüchtigen
Kammerjägers wurde der Bäcker leider die Mäuse los, und ich war wieder auf
meine kümmerlichen Brotmarken angewiesen. Mir war klar, es mußte etwas
geschehen, das die versiegte Brotquelle erneut zum Fließen bringt.
    Beim Anblick einer Mausfalle, in der
die Mäuse lebend gefangen wurden, kam mir der rettende Gedanke. Ich lieh mir
alle nur erreichbaren Mausfallen und stellte sie auf. Mein Jagdglück war
beachtlich, bald war ich im Besitz von einem Dutzend Mäusen. Aber damit hatte
ich sie noch lange nicht im Bäckerladen. Doch wozu hatte ich jahrelang weiße
Mäuse gezüchtet. Ich wußte, daß man die Mäuse am Schwanz hochheben und dann
bequem hinter dem Kopf fassen kann. So hatte ich jedesmal, wenn ich den
Bäckerladen aufsuchte, eine Maus in der linken Hand, die ich in der Hosentasche
verbarg. In einem unbemerkten Augenblick ließ ich meine Gefangene los, und
schon zwei Tage später bot mir die Bäckerfrau Brotlaibe mit »leichten Schäden«
zum Kauf an. Während meiner Lehrzeit im Betrieb von Georg Rupflin in
Lindau-Aeschach hatte mein Lehrherr seine Gärtnerei mit der seines Bruders
Hermann vereinigt. Die Firma von Hermann Rupflin lag in der Stadt Lindau
selbst. Dort im Stadtbetrieb verbrachte ich mein drittes Lehrjahr. Nicht ganz
freiwillig, denn ich hatte mich in eine Prügelei mit einem der Obergärtner
eingelassen. Zu meiner Ehrenrettung sei allerdings gesagt, daß mir mein Kontrahent
vorher, als ich eines Tages nicht zur Arbeit erschien, Faulheit und
Drückebergerei vorgeworfen hatte, obwohl ich ein ärztliches Attest vorweisen
konnte, das bestätigte, daß ich wirklich krank war. So zog ich also in den
Stadtbetrieb um.
    Es war eine einschneidende Veränderung,
da ich aus einer großen Gärtnerei mit zahlreichen Arbeitskräften in einen
richtigen Kleinbetrieb kam. Der bestand außer mir aus einem Gehilfen und einem
Lehrling. Der Gehilfe hatte in diesem Betrieb gelernt und stand im ersten
Gehilfenjahr. Er war ein Lindauer Bürgersohn und wohnte bei seinen Eltern, die
der Gärtnerei gegenüber ein Geschäftshaus besaßen. Der Lehrling war jünger als
ich und teilte sich mit mir eine vergipste Dachkammer. Diese Kammer war
selbstverständlich nicht heizbar, das Fenster begann am Boden und war 50 cm
hoch. Die Beleuchtung bestand aus einer Talgkerze, der von der Meisterin eine
Lebensdauer von 14 Tagen zugemessen wurde. Als Aufenthalts- und Speiseraum
diente für uns beide und für das Dienstmädchen die Küche. Die Meisterin und
ihre Mutter versorgten den Laden und die Kranz- und Blumenbinderei. Wenn viele
Kränze bestellt waren, wurde ich zur Mitarbeit abkommandiert. Das bereitete mir
viel Vergnügen, da die Meisterin eine wirklich gute Binderin mit viel Geschmack
war und man bei ihr viel lernen konnte. Die Kränze mußten nicht nur gebunden,
sondern auch zum Trauerhaus getragen werden. Diese Aufgabe, die viel Trinkgeld
abwarf, war bei den Lehrlingen sehr geschätzt. Da ich von zu Hause
Geldgeschenke nicht gewohnt war, war es mir furchtbar peinlich, wenn ich
Trinkgelder entgegennehmen sollte. Als mich meine Mitstifte wegen dieser
Einstellung auslachten, wandelte sich meine Meinung darüber sehr rasch, und
zuletzt taxierte ich jeden Kranz, den ich forttragen mußte, danach, wieviel er
wohl einbringen würde. Dabei lernte ich, daß man die besseren Trinkgelder von
einfachen Leuten erhielt. Männer waren spendabler als Frauen. Am wenigsten
sprang heraus, wenn Kränze, Pflanzen oder Blumensträuße vom Personal entgegengenommen
wurden. Außer der Binderei konnte man in dieser Gärtnerei nicht viel lernen, da
sie restlos veraltet war. Sie war auf einem Gelände in der Nähe des Bahnhofs
angesiedelt, das die wertvollste Baulandreserve von Lindau bildete. So wollte
Hermann Rupflin als Pächter kein Geld in den Betrieb investieren. Hätte ich
alle drei Lehrjahre in dieser Gärtnerei verbracht, wären meine beruflichen
Kenntnisse

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