Das Schlitzohr
»Soviel ich weiß auf einer
Inspektionsfahrt.«
Fink: »Drekle, Drekle, mein Schtorch
hot er he g’macht, i hons emmer g’sagt: Blut ond Boda g’hört net in Himmel
nauf.«
Durch den ständigen Rückzug wurde es
immer schwieriger, die Truppe mit Frischgemüse zu versorgen. Als wir
letztendlich 1945 in Prag landeten, war meine einzige Sorge, daß die
Hunderttausende von Jungpflanzen, die wir noch angezogen hatten, wenigstens
noch der Versorgung der Flüchtlinge dienen konnten. Wir ahnten den Zusammenbruch,
und so ließ ich die Pflanzen nach Bayern und Sachsen transportieren. Mit den in
Prag stationierten Truppen führte ich auch meine Einheit — sie war auf vier
Mann zusammengeschmolzen — in Pilsen in amerikanische Gefangenschaft.
Wieder war mir das Schicksal günstig
gesonnen. Zwar stand in meinem Soldbuch als Heimatadresse Stuttgart, da aber
meine Familie schon im zweiten Kriegsjahr nach Niederbayern gezogen war, weil
meine Frau dort ein Kinderheim leitete, ließ ich mich nach Passau entlassen.
Dadurch entging ich einem sehr zweifelhaften Schicksal. Die Württemberger
wurden alle nach Stuttgart gefahren, wo ihnen, sobald sie den amerikanischen
Lastwagen verlassen hatten, von einem französischen Kommando die
Entlassungspapiere abgenommen wurden. Diese Unglücklichen, die sich schon zu
Hause wähnten, wurden dann auf Lastwagen nach Frankreich transportiert. Einige
kamen überhaupt nicht zurück, andere mit großen gesundheitlichen Schäden. Ich
war in Passau ein freier Mann. Zu Fuß und per Güterwagen ging es nach
Mengkofen, wo ich meine Familie unversehrt antraf.
Der heimkehrende
Landmann
Nachdem ich einige Tage in Mengkofen
geblieben war, suchte ich die Lage in Stuttgart zu erkunden. Mit einem alten
Fahrrad, dessen Schläuche so porös waren, daß man die Reifen spätestens alle
Stunde wieder aufpumpen mußte, machte ich mich auf den Weg. Teils fuhr ich mit
dem Fahrrad, teils mit der Bahn, bis ich in Untertürkheim ausstieg und mich um
drei Uhr morgens in den amerikanischen Sektor hinüberschlängelte. Dort fuhr ich
mit dem Fahrrad bis Schmiden, ließ bei einem befreundeten Gärtner das Fahrrad
stehen, lieh mir eine Hacke, krempelte die Ärmel auf, schulterte die Hacke und
wandelte als »heimkehrender Landmann« Cannstatt und damit der Wilhelma zu.
Als ich in der Wilhelma ankam, war die
Freude groß bei den wenigen, die noch geblieben oder besser gesagt
zurückgekehrt waren. Die Wilhelma selbst bot einen traurigen Anblick. Die
Schlößchen waren samt und sonders ausgebrannt, von den Gewächshäusern ragten
nur noch die geborstenen Eisenkonstruktionen zum Himmel. Die Skelette der
Pflanzen standen noch in den Gewächshäusern.
Nicht anders sah es in den anderen
Anlagen aus. Der Rosensteinpark war hauptsächlich längs der Pragstraße von
Bomben förmlich umgepflügt, und ein großer Teil der prächtigen alten Bäume
waren nur noch Ruinen. Die Meierei Rosenstein war ein Schutthaufen, und die 100
Kühe waren verkauft, weil es zu gefährlich war, das mit Millionen
Bombensplittern verseuchte Gras zu verfüttern. Im Schloßgarten war die
Orangerie samt den 400jährigen Orangenbäumen total zerstört, und den
Schloßplatz durchzogen kreuz und quer Trampelpfade. Wohin ich sah und hörte,
war Resignation und Hoffnungslosigkeit.
Das durfte nicht so bleiben. Ich
versammelte deshalb meine Mitarbeiter, soweit sie in Stuttgart geblieben oder
aus Evakuierung und Krieg zurückgekehrt waren, und ermunterte sie, mit allen
Kräften an dem Wiederaufbau unserer Gärten mitzuarbeiten. Der Betriebsschreiner
mußte mit ein paar Leuten das einzig erhaltene Gebäude der Wilhelma, das Kesselhaus
mit dem Kohlenbunker des Wintergartens instand setzen. Dieser Kohlenbunker war
Umkleideraum, Aufenthaltsraum und Büro. Mit dem verbliebenen Traktor ließ ich
die Rasenfläche der Wilhelma umpflügen und Gemüse anbauen, so daß wir noch im
Herbst 1945 die Krankenhäuser Stuttgarts mit großen Mengen Frischgemüse
versorgen konnten.
Ein besonderes Anliegen war mir die
Wiederinstandsetzung des Schloßplatzes und der Anlagen im Herzen der Stadt. Ich
wollte den Menschen wieder Hoffnung machen. Deshalb ließ ich die
Löschwasserteiche und Splittergräben einebnen, und bereits im September 1945
prangte der Schloßplatz im Grün des jungen Rasens. In die Beete waren wieder
Vergißmeinnicht und Goldlack gepflanzt, und Stiefmütterchen zeigten schon die
ersten Blüten.
Man mag mir heute entgegenhalten, daß
es besser
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