Das Schlitzohr
darüber lächelten, ließ ich vor der
Währungsreform sämtliches Gemüse, das nur halbwegs geerntet werden konnte,
abernten und bot es den Gemüsehändlern an, die sich begeistert darauf stürzten.
Sie glaubten nämlich, daß sie damit Sachwerte über die Währungsreform
hinüberretten könnten. Aber das war ein Irrtum, den ich vorausgesehen hatte,
denn alle Geschäfte füllten sich plötzlich mit Waren, auf die man so lange
hatte verzichten müssen. Deshalb dachte niemand daran, seine kostbaren und
wenigen D-Mark für Gemüse auszugeben, das man seit Jahren nur als dringend
notwendige, aber unbeliebte Magenfüllung betrachtete. Damit waren wir die
einzigen Gemüseerzeuger im Stuttgarter Raum, die nicht den größten Teil ihrer
Ernte in den ersten sechs Wochen nach der Währungsreform auf den Kompost fahren
mußten.
Auf einer Gemüsesorte wären wir
allerdings fast sitzengeblieben. Auf unseren Äckern standen nämlich über 200
Zentner Mangold, und weder Krankenhäuser noch Händler wollten mir dieses
Massenfutter abnehmen. In meiner Not rief ich sämtliche erreichbaren
Konservenfabriken an und erklärte ihnen, daß Mangold zur Herstellung der
schwäbischen Nationalspeise Maultaschen wesentlich geeigneter wäre als Spinat.
Ich erbot mich, ihnen den Kaufpreis so lange zu stunden, bis sie den
konservierten Mangold verkauft hätten. Bis Mai 1949 war dann auch der letzte
Mangold bezahlt.
Da Ende der vierziger Jahre unsere
Hilfe bei der Gemüseversorgung nicht mehr erforderlich war, ließ ich ab 1948
jeden abgeernteten Acker mit Rasen einsäen und führte die Parkanlagen wieder
ihrer eigentlichen Bestimmung zu.
Am schwierigsten war das bei der
Wilhelma, denn wir konnten unmöglich die Besucher in die Pflanzenschauhäuser
lassen, solange noch die zweieinhalb Meter tiefen Gräben vorhanden waren. Mit
Hilfe des Bauamtes wurde deshalb das Kuppelhaus südlich der Landhausruine
verglast und provisorisch als Palmenhaus eingerichtet. Den Gewächshaustrakt
beim Wintergarten hatten wir bis auf den Wintergarten und das Azaleenhaus
instand gesetzt. An den Wiederaufbau des Wintergartens selbst war vorläufig
nicht zu denken, und der Wiederaufbau des Azaleenhauses war im Haushaltsplan
des Bauamtes für 1949 vorgesehen. Dieses Haushaltsjahr begann am 1. April. Bis
dahin mußte jedoch das Azaleenhaus längst stehen, denn wir wollten die Wilhelma
mit der Azaleenblüte an Ostern eröffnen.
Es gelang mir, den gleichfalls
unternehmungslustigen Bauinspektor Seifried, der die Wilhelma betreute, zu
überreden, den Bauauftrag schon im Herbst 1948 einer Gewächshausbaufirma zu
erteilen. Fertigstellungstermin sollte Mitte März 1949 sein. Allerdings durfte
die Rechnung erst im April gestellt werden.
Da der Unternehmer ein halbes Jahr nach
der Währungsreform den ganzen Betrag nicht solange kreditieren konnte, blieb
mir nichts anderes übrig, als einen Posten Edelhölzer von den gefällten Bäumen
der letzten Jahre zu verkaufen und das Geld dem Bauamt für die Abschlagszahlung
zu leihen. Das war natürlich wieder ein Verstoß gegen die Haushaltsordnung,
aber in den turbulenten Jahren vor und nach der Währungsreform durfte man nicht
gerade zimperlich sein, wenn man etwas erreichen wollte.
Das Krokodil auf dem
Rücksitz
Die Wiedereröffnung der Wilhelma mit
einer für damalige Verhältnisse überwältigenden Azaleen- und Frühlingsblüte war
nach den schweren Jahren für Zehntausende ein wunderbares Erlebnis. Dafür
konnte man schon eine Rüge des Rechnungshofes in Kauf nehmen, dachte ich mir im
stillen. Aber sie blieb aus.
Trotz dieses Anfangserfolges war mir
bewußt, daß das Gebotene noch ziemlich bescheiden war. Ich hatte deshalb schon
einige Zeit davor mit den süddeutschen Aquarienvereinen wegen einer größeren
Aquarienschau in der Wilhelma verhandelt. Wir einigten uns auf vier Wochen
Dauer und als Ausstellungsbeginn auf den Freitag vor Pfingsten. Die Wilhelma
stellte die Räume und ließ 80 Becken in drei Größen von 70 Zentimetern, einem
Meter und zwei Metern bauen. Außerdem bezahlten wir die Betreuer. Die Vereine
erhielten zehn Prozent des Eintrittsgeldes.
Der Erfolg war großartig. An den beiden
Pfingsttagen kamen über 40 000 Besucher in die Wilhelma, während in den
Vorkriegsjahren 2 bis 3000 Besucher das höchste der Gefühle waren. Wir mußten
Notkassen und zusätzliche Ein- und Ausgänge einrichten, um den Andrang zu
bewältigen. Da auch in den folgenden Wochen der Besucherstrom anhielt,
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