Das Schlitzohr
beschloß
ich, die Ausstellung um weitere vier Wochen zu verlängern. Die vier Wochen sind
freilich bis heute noch nicht vorbei, denn ich kaufte den größten Teil der
Fische und machte das Aquarium zu einer Dauereinrichtung in der Wilhelma.
Während die Aquarienschau lief, hatte
ich bereits die nächste Ausstellung in Gemeinschaft mit dem Staatlichen Museum
für Naturkunde vorbereitet. Das Thema lautete »Wandlung der Pflanze in 500
Millionen Jahren«. Dabei wurde die heute lebende Pflanze ihren jeweiligen
Verwandten der Vorzeit gegenübergestellt. Die Besucher sollten erkennen, daß
die heute lebenden Pflanzen eine wesentlich längere Ahnenreihe aufzuweisen
haben als wir Menschen. Der damalige Direktor des Museums freute sich sehr,
seine Schätze zeigen zu können. Er tat einen tiefen Griff in seine leider auch
heute noch in Kisten ruhenden Kostbarkeiten. Dadurch entstand nicht nur eine
äußerst interessante Ausstellung, sondern auch eine von großer Schönheit.
Gerade das wollte ich erreichen, denn nicht sterile Erklärungen, sondern Schönheit
ist geeignet, das Interesse der breiten Öffentlichkeit zu wecken.
Diese Ausstellung war zwar kein
Mißerfolg, denn sie hatte eine große Zahl äußerst interessierter Besucher
aufzuweisen, aber der große Erfolg blieb aus. Wir erkannten klar, daß wir in
den Sonderschauen etwas Attraktiveres als Pflanzen bringen mußten. Was also lag
näher als Tierschauen. Deshalb verhandelten wir schon während dieser
Ausstellung mit dem Staatlichen Museum für Naturkunde über eine Ausstellung
»Schlangen, Saurier und Krokodile«, die wir im Frühjahr 1950 eröffnen wollten.
Sie sollte in den beiden Gewächshäusern nördlich der Festsaalruine stattfinden.
Hier stellten wir diesmal das lebende Tier den Verwandten der früheren
Erdzeitalter gegenüber.
Nun war es nicht schwer, beeindruckende
Exponate aus dem Museum zu bekommen. Um so schwieriger war es, die lebenden
Exemplare zu erhalten, denn der Tierimport aus Übersee war damals noch kaum in
Gang gekommen. Ich war deshalb recht froh, als ich, vermittelt durch einen
Gärtner aus Reutlingen, eine Anzahl Reptilien angeboten bekam.
Willi Jocher, der Besitzer der Tiere,
hatte eine Wanderaquarienschau betrieben und war im Begriff, sie aufzulösen.
Wir waren uns bald einig. Ich kaufte ihm die Tiere ab und bot ihm eine
Tierpflegerstelle als Betreuer der geplanten Sonderschau an. Herr Jocher
bewährte sich hervorragend. Aber auch nach dem Kauf war unser Tierbestand
bescheiden, deshalb suchten wir jeden Winkel Deutschlands nach Reptilien ab.
Ganz besonders war es uns darum zu tun, große Krokodile zu bekommen.
Es war Musik in unseren Ohren, als sich
der Direktor des Naturkundemuseums in Karlsruhe bereit erklärte, das 1,80 Meter
lange Krokodil seines Vivariums abzugeben, weil sein Terrarium für das Tier zu
klein geworden war. Wir fuhren mit meinem PKW sofort nach Karlsruhe, um es
abzuholen. Für den Transport banden wir ihm das Maul zu und stülpten ihm einen
Sack über den Kopf. Dann legten wir es auf den Rücksitz des Wagens und fuhren
los. Gerade als wir auf der Autobahn die Steilstrecke aus dem Rheintalgraben
hinauffuhren, sagte mein Begleiter: »Der Fritz«, so hieß das Krokodil, »hat den
Sack abgestreift.« Ich erklärte: »Wenn ihm das Maul zugebunden ist, macht das
nichts.« Darauf die niederschmetternde Antwort: »Jetzt ist der Strick auch
weg.« Und das alles auf der Autobahn an einer Stelle, an der wir unmöglich
anhalten konnten. Zum Glück war die Außentemperatur wesentlich unter Null. So
drehten wir die Scheiben des Wagens herunter und schalteten die Heizung aus.
Die Bewegungen dieses Kaltblüters wurden dadurch langsamer, und wir konnten bei
der nächsten Ausfahrt dem guten Fritz das Maul wieder zubinden. Diesmal machten
wir es aber gründlicher, so daß wir alle drei wohlbehalten in Stuttgart
ankamen.
Die Reptilienausstellung brachte
entschieden mehr Besucherais die vorhergehende. Es bewährte sich auch hier, daß
direkt neben den Petrefakten die lebenden Tiere gezeigt wurden. Für zahlreiche
Stuttgarter war es eine große Überraschung, als neben einer lebenden
Riesenschildkröte der ein Meter lange Rückenpanzer einer Schildkröte gezeigt
wurde, die vor etwa 400 Millionen Jahren im Stuttgarter Raum gelebt hatte. Der
Panzer war schon Jahrzehnte in der Schausammlung des Naturkundemuseums gezeigt
worden, hatte aber keine Beachtung gefunden. Erst durch das lebende Tier begriffen
die Besucher, wie reich und
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