Das Schlitzohr
importiert, die bisher nur in ganz wenigen Exemplaren in
den botanischen Gärten gepflegt wurden. Dank des begeisterten Einsatzes der
Wilhelma-Gärtner befanden sie sich in einem ausgezeichneten Zustand. So gelang
es uns, 20 Goldmedaillen, eine große Anzahl Silber- und einige Bronzemedaillen
zu erringen. Damit hatte die Wilhelma mehr Preise errungen, als alle anderen
deutschen Gärten der öffentlichen Hand zusammen. Leider konnten wir uns dieses
Erfolges nicht mehr lange erfreuen, denn schon bevor diese Reichsgartenschau
endete, war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. In den ersten Kriegswochen
wurden bereits die meisten jüngeren Mitarbeiter eingezogen und mit ihnen die
Fahrzeuge bis auf einen alten Elektrokarren und einen Bulldog, beide mit dem
Baujahr 1926.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt zwar
glücklich alle staatlichen Gärten Stuttgarts in meiner Hand vereinigt, aber nur
noch etwa ein Drittel aller Mitarbeiter. Es galt deshalb, alles auf Sparflamme
zu schalten, um so viel wie möglich über diesen Krieg zu retten. Mit Schrecken
dachte ich an die Folgen eines Luftangriffs, denn eine einzige Luftmine in
einer Entfernung von wenigen hundert Metern genügte vollkommen, um sämtliche
Scheiben aus den Gewächshäusern der Wilhelma hinauszublasen. Die Verlagerung
eines Teils der hundertjährigen Azaleen und Kamelien in die Gewächshäuser der
Gartenbauschule Hohenheim erwies sich als Mißgriff, denn dort waren sie durch
die Nähe des Flughafens nicht weniger gefährdet als in der Wilhelma, die auf
der Luftlinie Bosch-Daimler lag. Später wurde ein Großteil der Orchideen,
Azaleen und Kamelien in Sigmaringen in der Hofgärtnerei des Fürsten
Hohenzollern-Sigmaringen in Sicherheit gebracht. Der großzügigen
Hilfsbereitschaft des Fürsten und der hervorragenden Einsatzbereitschaft seines
Hofgärtners Bach ist die Erhaltung dieser unersetzlichen Bestände zu danken.
Ein kleiner Orchideenbestand kam auf den Katharinenhof bei Oppenweiler. Den
wertvollsten Kakteen gewährte Herr Epple in seiner Gärtnerei in Benningen Asyl.
Die ganzen anderen prachtvollen
Pflanzenbestände der Stuttgarter Orangerie, darunter die vierhundertjährigen
Orangen sowie die bedeutenden und umfangreichen Pflanzensammlungen der
Wilhelma, die viele hundertjährige Exemplare aufwiesen, fielen ausnahmslos den
Bomben zum Opfer.
Krieg ist Krieg und
Wein wird Schnaps
Ich selbst erlebte den Zusammenbruch
meines Aufbauwerkes nur am Rande, da ich schon im Juli 1940 eingezogen und
einer Ersatzteilstaffel, der Staffel Hauser, zugeteilt wurde. Zu meiner großen
Erleichterung rückte die Staffel bald nach Österreich ab, so daß mir zum
größten Teil der öde Grunddienst erspart blieb. Nach kurzer Zeit übernahm ich
den Dienst des Verpflegungsunteroffiziers. Das war eine Tätigkeit, bei der ich
mich besonders in Rumänien, wohin wir noch im Herbst als eine der ersten
deutschen Truppen verlegt wurden, recht gut bewährte. Wenige Tage nach unserer
Ankunft erlebten wir hier das große Erdbeben, das ein Drittel von Bukarest in
Schutt und Asche legte. In unserer Kaserne stürzten allerdings nur die
Kachelöfen ein. Außerdem zerschnitten sich einige Kameraden, die durch die
geschlossenen Fenster ins Freie sprangen, Gesicht und Hände, und einer brach
sich dabei das Bein.
Eine Anekdote über unseren Hauptmann
muß ich in diesem Zusammenhang erzählen. Er war am Abend vorher mit dem Spieß
und mir zu einer längeren Sitzung in einem sehr gemütlichen Bukarester
Weinlokal zusammengekommen. Zum Schluß hatten wir ihn mit nicht geringer Mühe
in sein Zimmer im zweiten Stock eines Bukarester Hotels gebracht und waren dann
nach Otopeni in unsere Kaserne gefahren. Am anderen Morgen erwachte unser
Hauptmann und sah, daß die beiden Stiefel quer im Zimmer lagen, anstatt daß sie
zum Putzen vor der Türe standen. Das regte ihn nicht weiter auf, daß aber der
Spiegel zertrümmert war und das Waschbecken nur noch an einer Schraube hing,
empfand er als unschön. Ebenso die Tatsache, daß nur noch ein Fensterflügel, und
dazu total zerbrochen, traurig in den Angeln baumelte. Er beschloß, mit dem
Hotelier Verhandlungen aufzunehmen, um den angerichteten Schaden zu begleichen.
Als er sich unter Ächzen angezogen hatte und das Zimmer verlassen wollte,
klemmte die Türe auf dem Gang, und er sah, daß das ganze Treppenhaus
verschwunden war. Er erinnerte sich zwar, daß er am Abend vorher schon ziemlich
über den Durst getrunken hatte, daß er aber dabei ein
Weitere Kostenlose Bücher