Das Schlitzohr
hochentwickelt die Fauna vor Millionen von Jahren
auch in unserer Gegend war.
Als diese Ausstellung beendet war, ging
es wie mit den Fischen. Wir behielten sämtliche Reptilien, und so war zu dem
Aquarium auch noch ein Terrarium gekommen. Die provisorischen Terrarien wurden
durch stabile ersetzt und ebenso wie beim Aquarium eine klare Trennung zwischen
Pflege- und Besucherräumen geschaffen.
Da die bisher gezeigten Ausstellungen
einen eher belehrenden Charakter aufwiesen, war es an der Zeit, etwas Leichtes
und Unterhaltsames zu bringen, das vor allem den Kindern Freude bereitet. Was
war da geeigneter als das Thema »Tiere des deutschen Märchens«? Unsere Märchen
bevölkert nämlich eine bunte Tierwelt, angefangen beim Bär und Löwen bis hin
zum Hasen und Igel. Diese Tiere mußten selbstverständlich erst alle beschafft
und Gehege für sie gebaut werden. So kaufte ich schon in der Zeit, als wir die
Reptilien zusammensuchten, alle Tiere auf, die in diesen Themenkreis paßten.
Soweit die Möglichkeit bestand, brachte ich die Neuerwerbungen im
Anzuchtbetrieb der Wilhelma unter. Wenn das nicht möglich war, wie bei den
Löwen und Bären, mußten die Verkäufer die Tiere so lange behalten, bis die
Ausstellung eröffnet wurde. Das bedeutete, daß zum Beispiel die Tierhandlung
Mohr in Ulm ein Paar Löwen und Bären ein Vierteljahr durchfüttern mußte, bis
wir sie abholten. Da wir im Gegensatz zu anderen Kunden prompte Zahler waren,
konnten wir die Firma dazu bringen. Leider konnten wir nicht alle Märchentiere
zeigen. Es fehlten uns natürlich die Fabeltiere, der Vogel Greif, das Einhorn
und der Drachen, aber auch zwei wirklich lebende Tiere, der Kolkrabe und der
Feldhase.
Den Kolkraben hätte ich zwar bei
Garmisch fangen lassen können, verzichtete aber aus Naturschutzgründen darauf.
Den Feldhasen konnte man damals noch nicht in Gefangenschaft halten, was heute
durchaus möglich ist. Der Vollständigkeit halber ersetzte ich die beiden durch
Wildkaninchen und Krähen und erläuterte im Begleittext die Unterschiede zwischen
diesen »Stellvertretern« und den echten Feldhasen oder Kolkraben,
Da es sich in erster Linie um eine
Ausstellung für Kinder handelte, eröffneten wir sie kurz vor den großen Ferien.
Unsere Rechnung ging auf, die Wilhelma hatte Rekordbesuche zu verzeichnen.
Dabei war alles noch unglaublich bescheiden. Die Gehege machten einen mehr als
provisorischen Eindruck, und der Tier- und Pflanzenbestand konnte sich in
keiner Weise mit der Fauna und Flora der Wilhelma heute messen. Die vielen
Menschen, die zu dieser Ausstellung strömten, bestätigten mich in meiner
Meinung, daß die Zukunft der Wilhelma in einem zoologischen Garten lag.
Außerdem befürchtete ich, daß die Bundesgartenschau, zu der sich die Stadt
Stuttgart rüstete, der Wilhelma als reinem Pflanzengarten große Konkurrenz
machen würde.
»Die wilden Tiere
haben zu verschwinden«
Die Wilhelma als Zoo, das war aber mit
den Vorstellungen der Ministerialbürokratie auf keinen Fall vereinbar. Ich
mußte also alles vermeiden, was Anlaß zu einem solchen Verdacht geben konnte.
Das war auch der Grund, weshalb die Gehege oft wesentlich provisorischer
wirkten, als sie tatsächlich waren.
Die beiden Ausstellungen des Jahres
1950 brachten wiederum ein hervorragendes finanzielles Ergebnis. Das
Erfreulichste daran war, daß es auch der Wilhelma direkt zugute kam. Denn wir
hatten zum erstenmal im Haushaltsplan den Vermerk: »Mehrausgaben können in Höhe
der Mehreinnahmen gemacht werden.« Dieser Planvermerk erlaubte uns nun, die
Mehreinnahmen ohne einen weiteren Antrag zugunsten der Wilhelma zu verwenden.
So konnten wir im Haushaltsjahr 1951 dank der beiden erfolgreichen Schauen
nahezu 100 000 DM mehr für den weiteren Ausbau und die Vorbereitung der
nächsten Schauen verwenden.
Wir machten uns also guten Mutes an die
Vorbereitung der nächsten Schauen, einer großen Vogelausstellung und einer
Ausstellung »Afrikas Steppentiere«.
Für das Vorhaben Nummer 1 lud ich den
Verein der Vogelfreunde zur Teilnahme ein. Seine Exponate kamen in das südliche
Gewächshaus beim Festsaal. Da der Wintergarten noch nicht verglast war, ließ
ich dort große Volieren bauen, die in erster Linie für Papageienarten und Vögel
der subtropischen und der gemäßigten Zonen vorgesehen waren. Damit wir
Greifvögel und Geierarten unterbringen konnten, mußte die — noch desolate — Konstruktion
der beiden hohen Gewächshäuser nördlich des
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