Das Schlitzohr
auf alle bei uns eintreffenden Tiere bekamen und daß wir in der
Presse die Exkursion als Wilhelmaexpedition bekanntmachen konnten. Beides wurde
uns zugestanden, und wir sahen uns bereits im Besitz einer Horde der berühmten
Affen von Gibraltar, die in dem Expeditionsgebiet haufenweise vorkommen
sollten. Dazu träumten wir von ganzen Rudeln Wüstenfüchsen, Mähnenschafen,
Reptilien, einfach von allem, was die Steppen-, Gebirgs- und Wüstenlandschaften
Nordafrikas zu bieten hatten.
Als die erste Sendung ankam, freuten
wir uns sehr. Gespannt packten wir aus. Als etwa 30 Domschwänze mit 20 bis 30
Zentimeter Länge aus den Kisten herauskrochen, freuten wir uns zwar immer noch,
aber ein Affe hätte uns doch besser gefallen als die vielen Echsen. Jedenfalls
sahen wir, daß die jungen Leute aktiv waren, und hofften auf die nächsten
Sendungen. Diese, die zweite und die dritte, trafen auch bald ein, aber wer
beschreibt unsere peinliche Überraschung, als es wieder fast ausschließlich
Dornschwänze waren. Wir telegraphierten: »Schickt keine Dornschwänze.« Aber
dieses Telegramm mußten wir mehrmals wiederholen, denn bei jeder neuen Sendung
stellten die Dornschwänze das Hauptkontingent. Wir waren aber weiterhin
optimistisch und nahmen an, daß die drei Studenten es nicht riskieren wollten,
die wertvollen Affen, Wüstenfüchse und andere Säugetiere ohne Begleiter zu
verschicken.
Als sie ihre Ankunft mitteilten, fuhren
wir deshalb mit einem großen Lastwagen zum Flughafen. Beim Ausladen des Gepäcks
stellten wir fest, daß ein Personenwagen auch gereicht hätte, und als wir die
Jagdbeute auspackten: Was kam ans Tageslicht? Wieder... Dornschwänze!
Wir waren natürlich ebenso betreten wie
die drei Studenten, als sie erfuhren, daß für so viele Dornschwänze kein Absatz
besteht. Leider hatten sie unsere Telegramme nicht erhalten. Zwar schwante
ihnen bereits, daß sie einige Dornschwänze zuviel gefangen hatten. Aber andere
Tiere waren kaum aufzutreiben. Die drei waren zur falschen Zeit nach Afrika
gekommen. Es war nämlich um diese Zeit, besonders 1952, in den höheren Lagen
bitter kalt, und viele Tiere hielten noch ihren Winterschlaf oder hatten sich
in wärmere Gegenden verzogen. Außerdem war viel Land kultiviert und die echte
Wildnis militärisches Sperrgebiet.
Trotzdem war diese kleine Expedition
ein guter Presseerfolg, und die Bekanntschaft mit dem damaligen Studenten
Wilbert Neugebauer führte dazu, daß ich in ihm später einen ausgezeichneten
Mitarbeiter und einen hervorragenden Nachfolger gewann. Aber davon später mehr.
Inzwischen war es Frühsommer geworden, die Einnahmen flössen, und die alten wie
die neuen Schulden waren bezahlt. Überall hämmerte und klopfte es in der
Wilhelma. Zäune wurden gezogen und Tierunterkünfte gebaut, alles provisorisch,
versteht sich. Diese Unterkünfte haben sich übrigens so trefflich bewährt, daß
manche von ihnen heute noch benutzt werden. Da die Tiere natürlich nicht alle
auf einmal ankamen — sie reisten auf Schiffen von Indien nach Genua und von
dort mit der Bahn nach Stuttgart mußte ich sie, wie in den Vorjahren, zuerst
außerhalb des Schaubereiches unterbringen, um den Überraschungseffekt zu
erhalten. Diese Quartiere waren noch provisorischer als provisorisch, was zu
manchem Zwischenfall führte.
So hatten wir überraschend eine Gruppe
Rhesusaffen bekommen. Ich brachte sie in einer Kammer unter, die mit einem
Kohleofen beheizt war. Als ich einmal ein paar Vertretern des
Finanzministeriums diese neueste Aquisition zeigte, öffnete einer der Herren
unvorsichtigerweise die Käfigtüre. Sofort stürzten die Affen heraus und
kletterten am nächsten Baumstamm hoch. Dieser vermeintliche Baumstamm war aber
ein Ofenrohr, und der Ofen geheizt. Entsetzt sprangen sie deshalb zum Fenster
und waren noch entsetzter, als sie dort plötzlich an eine unsichtbare Wand
stießen, denn im Urwald hatten sie noch keine Bekanntschaft mit Glas gemacht.
Durch diese Erlebnisse total verwirrt, waren die Affen heilfroh, als sie wieder
in ihrem Käfig landeten.
Zum Glück dauerte der Aufenthalt für
die Tiere in den Provisorien nicht mehr lange, und die Sonderschau »Tiere des
indischen Dschungels« konnte eröffnet werden. Daß gleichzeitig der
Eintrittspreis für Erwachsene von 50 auf 80 Pfennige angehoben wurde, habe ich
bereits angedeutet. Wir waren natürlich sehr in Sorge, wie die Besucher auf
diese Erhöhung um 60 Prozent reagieren würden. Um so überraschter waren wir,
als sich
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