Das Schlitzohr
Landhauses mit Drahtgeflecht
überzogen werden.
Das Wassergeflügel brachten wir in den
zahlreichen Teichen der Wilhelma unter. Die Kranicharten kamen auf die Wiesen
und für die Fasanenarten entstanden die heute noch vorhandenen Gehege neben dem
Bärenzwinger. Damit hatten die Handwerker der Wilhelma alle Hände voll zu tun.
Das Hauptproblem war wiederum die Beschaffung und vorläufige Unterbringung der
Tiere bis zur Ausstellungseröffnung. Wir richteten deshalb in dem ehemaligen
Pferdestall an der Pragstraße das sogenannte Winterquartier ein und brachten
dort die robusteren und vor allem die großen Vögel unter.
Die Papageien nahm ich in das
Privatbüro in meiner Wohnung. Leider konnte ich nur vier Papageienkäfige
auftreiben, und allmählich war die Zahl der Papageien auf 20 angewachsen. Zwei
Papageien in einem Käfig unterzubringen, war unmöglich, da gab es Mord und
Totschlag in diesem engen Raum. Es blieb nichts anderes übrig, als das ganze
Büro auszuräumen, einige Kisten zu provisorischen Käfigen umzufunktionieren und
die tugendhaftesten Papageien im Raum frei fliegen zu lassen.
Das ging alles gut, bis zur
Konfirmation meiner beiden ältesten Kinder. In dem üblichen rasanten Aufbruch
ging es zur Kirche und anschließend zum Essen in einen Gasthof. Als wir nach
Hause kamen, trafen wir eine unbeschreibliche Verwüstung an. Die Polstermöbel
waren von den scharfen Schnäbeln der Papageien aufgerissen, die schön
ausgebreiteten Konfirmationsgeschenke ramponiert und angenagt, die Bücher, von
denen einige umgetauscht werden sollten, waren zerfetzt. Offenbar waren in der
Eile des Aufbruchs die Türen der Käfige beim Füttern und Tränken der Tiere
nicht richtig geschlossen worden. Desgleichen war die Türe zwischen Büro und Wohnzimmer
nicht richtig eingeklinkt. Jedenfalls hatten sich die Papageien während unserer
Abwesenheit auf das Gründlichste im Wohnzimmer ausgetobt.
Daß die Möbel ramponiert waren, kann
eine Hausfrau schon verbittern. Das hätte meine überaus geduldige Frau allerdings
noch hingenommen, aber daß die Konfirmationsgeschenke ihrer Lieblinge ruiniert
waren, war zuviel für ein Mutterherz. Ich konnte froh sein, daß lediglich die Papageien
aus der Wohnung gewiesen wurden und wenigstens ich bleiben durfte.
Schon sechs Wochen später eröffneten
wir die Vogelausstellung, und damit hatte ich so viel Arbeit, daß ich von der
dicken Luft gar nicht viel merkte. Denn an allen Ecken und Enden brannte es.
Ich hatte nämlich in meiner Begeisterung viel mehr Vögel beschafft, als wir
ursprünglich geplant hatten. Als wir in den letzten Wochen noch Nandu und
afrikanische Strauße bekommen konnten, griff ich begeistert zu, ohne zu wissen,
wer die insgesamt 700 Meter Zaun für die beiden Gehege setzen sollte.
Bei der Eröffnung waren trotzdem alle
Gehege fertig und besetzt. Beim Rundgang staunten die Festgäste und waren
begeistert. Die anwesenden Vertreter des Ministeriums staunten ebenfalls, aber
begeistert waren sie nicht. Ganz im Gegenteil, besonders als sie die Kondore,
Lämmergeier, Gänsegeier und Adler sahen. Überdies mußten sie feststellen, daß
alle Tiere der vorhergehenden Schauen die Wilhelma auch noch bevölkerten.
In der darauffolgenden Woche erhielt
ich den kürzesten Erlaß, den ich je bekommen hatte. Er lautete: »Die wilden
Tiere haben zu verschwinden!«
Diana war an allem
schuld
Was tun, spricht Zeus. Da einige Zeit
davor der neue Finanzminister, Dr. Karl Frank, eingesetzt und in der Wilhelma
ein junger Löwe geboren worden war, packte ich diesen kleinen, acht Tage alten
Kerl in meine Aktentasche und brachte ihn zum Minister. Dann schlug ich dem
Minister vor, diesen ersten in der Wilhelma geborenen Löwen zu taufen, wobei
ich ihm eine große Publicity in Aussicht stellte. Nun hat Publicity immer etwas
Verlockendes für einen Wahlbeamten. Ich erhielt eine Zusage, denn er wußte ja
nichts von dem Erlaß, nach dem die »wilden Tiere« zu verschwinden haben. Der
Minister fragte mich nur noch, was man bei einer solchen Taufe sagt. Ich schlug
vor: »Die junge Löwin möge die Stammutter eines kräftigen Löwengeschlechts in
der Wilhelma werden.« So geschah es denn auch, der Täufling erhielt den Namen
Diana und wurde aus der Cannstatter Stadtkanne mit »Cannstatter Zuckerle«
begossen. Die Presse des Landes war anwesend und brachte das Bild des
löwentaufenden Finanzministers in großer Aufmachung. Auch lobte sie das warme
Herz des Ministers für die
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