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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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Wilhelmatiere (Motto Finanzminister — kein kalter
Rechner). Der Rundfunk übertrug den Taufakt live, auch er pries die Tierliebe
des Ministers. Damit konnte von dem Verschwinden der wilden Tiere keine Rede
mehr sein, denn Ministerwort ist Ministerwort.
    Trotz des Mißfallens der
Ministerialbürokratie wurde die Vogelausstellung ein großer Erfolg und die
Einnahmen flössen reichlich. Was Wunder, daß ich bei der Tierbeschaffung für
die nächste Ausstellung äußerst großzügig war. Da es mir inzwischen auch
möglich war, über Italien exotische Tiere zu beziehen, stieg ich ganz groß ein
und kaufte, was ich an Zebras, Antilopen, Gnus und ihren Verwandten bekommen
konnte. Das Tüpfelchen auf dem i waren zwei Giraffen. Die Tiere kamen Anfang
August vorschriftsmäßig in Genua an und reisten mit dem Zug bis München. Leider
mußten die Giraffen in München zur Quarantäne bleiben. Sie trafen in Stuttgart
erst ein, als die Sommerferien längst vorüber waren. Trotzdem war ich sicher,
daß diese Attraktion die Kassen füllen würde. Das wäre auch bestimmt geschehen,
wenn nicht ausgerechnet der Oktober 1951 vollkommen verregnet gewesen wäre.
Damit wurde das Loch in unserer Kasse groß und immer größer. Dazu wurde mir von
unserem Kohlenlieferanten die Rechnung für das — wie alljährlich — eingelagerte
Heizmaterial präsentiert. Da meine Geldmittel noch bis zum 31. März reichen
mußten, blieb mir nichts anderes übrig, als Schulden zu machen. Ich verhandelte
deshalb mit den Kohlen- und Tierlieferanten, daß ein Teil der Summen bis April
1952 gestundet wurde und bezahlte diesen Rest aus dem neuen Etat.
    Ich schwor mir, in Zukunft vorsichtiger
zu disponieren. Aber trotz aller guten Vorsätze bestellte ich noch im gleichen
Herbst Elefanten, Tiger, Panther, Kragenbären, kleine Pandus, Affen, indische
Antilopen und viele andere Tiere für die 1952 geplante Ausstellung »Tiere des
indischen Dschungels«. Das war eigentlich recht riskant, und ich hätte aus den
Schwierigkeiten, in denen ich gerade steckte, etwas mehr lernen sollen. Aber
ich ging das Risiko ein, weil ich damals große Pläne hatte, die nur aus den
Mehreinnahmen der Wilhelma finanziert werden konnten.
    Ich wollte nämlich den Schloßpark in
Ludwigsburg, der mir gleichfalls unterstand, über eine große Gartenschau
anläßlich der 250-Jahr-Feier des Schlosses sanieren.
    Da man aber nicht endlos mit
Steigerungen der Besucherzahlen der Wilhelma rechnen konnte, denn diese war
letztlich von der Bevölkerungszahl der nächsten Umgebung Stuttgarts abhängig,
konnte ich sichere Mehreinnahmen nur durch höhere Eintrittspreise erwarten. Die
höheren Eintrittspreise konnten aber nur durch erhöhte Leistungen begründet
werden. Deshalb blieb mir eigentlich gar nichts anderes übrig, als das Risiko
einzugehen und die verschiedenen Tiere zu erwerben. Bei der Aufstellung des
Haushaltsplanes hütete ich mich wohlweislich, die beabsichtigte Erhöhung der
Eintrittspreise zu erwähnen, denn das hätte unweigerlich zu einer Steigerung
der Einnahmen im Voranschlag und damit zu einer entsprechenden Verringerung der
Mehreinnahmen geführt. Diese konnte ich ja aber laut Planvermerk zusätzlich
verwenden. Nun wird jedermann sagen, dann hätte ich eben auf der Ausgabenseite
eine höhere Summe einsetzen müssen. Leider wäre dies nicht bewilligt worden.
Also blieb nur dieser nicht ganz gerade Weg.
     
     
     

Ich denk’mich laust
der Affe
     
    Im Herbst 1951 kam ein junger Mann zu
mir, stellte sich als Student der Naturwissenschaften vor und teilte mir mit,
daß er mit zwei Kommilitonen eine Tierfangexpedition nach Algerien unternehmen
wolle. Die Tiere, die sie dort fangen würden, bot er uns zum Kauf an. Aus
heutiger Sicht klingt so ein Angebot fast lächerlich, da jeder normale Bürger
mit einem Reiseunternehmen im Billigtarif seinen Urlaub auf der halben
Weltkugel verbringen kann. Ganz anders damals. Kaum ein Deutscher hatte die
Möglichkeit, ein Visum nach Algerien zu bekommen. Eine vier- bis sechswöchige
Exkursion nach dem sehr unruhigen Land barg damals sicher so viele
Schwierigkeiten in sich wie heute eine Expedition in entlegene Amazonasgebiete
oder in die Bergwälder von Neuguinea. Ich war natürlich sofort Feuer und
Flamme, stellte ihm alle gewünschten Bescheinigungen aus und bestätigte der Air
France, daß die Wilhelma bereit sei, die Luftfracht für sämtliche an uns
gerichteten Tiersendungen zu übernehmen. Unsere Bedingungen waren, daß wir das
Vorkaufsrecht

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