Das Schlitzohr
die Besucherzahlen dadurch nicht verringerten, sondern erhöhten.
Bei dem Eröffnungsrundgang war wieder
einmal großes Erstaunen. Das größte Erstaunen zeigten auch diesmal die
Zoogegner im Ministerium, als sie feststellen mußten, daß ein komplettes
Raubtierhaus entstanden war, in dem sich Löwen, Tiger, Leoparden und schwarze
Panther je paarweise befanden. Auf den Wiesen tummelten sich Nilgauantilopen
und im nördlichen Wandelgang muntere Affen. Als sie gar noch die Elefanten
sahen, schlug das dem Faß den Boden aus. An den Mienen der Herren war zu
erkennen, daß ich diesmal den Bogen entschieden überspannt hatte.
Zum Glück hatte ich diese Reaktion
vorausgesehen und die Gattin des Finanzministers gebeten, die beiden Elefanten
zu taufen. Die Namen sollte die Bevölkerung vorschlagen. Das Preisgericht wurde
von Vertretern der Presse und des Rundfunks gebildet.
Das alles erfuhren meine Widersacher in
den Behörden am nächsten Morgen aus der Zeitung. Es kam deshalb zu dem
lapidaren Erlaß: »Die Unterhaltung eines Zoos ist keine staatliche Aufgabe.«
Nun, zu diesem Erlaß konnte man sich wenigstens äußern. Das tat ich mit
Vergnügen auf folgende Weise:
»Was sind schon staatliche Aufgaben in
Baden-Württemberg? Doch nur die Fortführung der Aufgaben, die wir von den
ehemaligen Landesfürsten übernommen haben, wie der Betrieb eines Wasserwerks,
die Unterhaltung ehemals königlicher oder großherzoglicher Gärten, einer
Brauerei, einer Meierei oder der Majolikamanufaktur in Karlsruhe. Diese Liste
ließe sich noch beliebig verlängern. Nun ließ König Wilhelm in seinen letzten
Lebensjahren an der Stelle, an der heute die Schwabengarage steht, einen Zoo
anlegen. Hätte er bis 1918 bestanden, wäre er zweifellos ebenso weitergeführt
worden wie etwa die Meierei Rosenstein. Da jedoch König Karl die Damen des
Balletts entschieden lieber waren als die Tiere seines Vaters, verkaufte er
letztere und wandte sein Interesse dem Theater zu. Dadurch wurden Theater und
Ballett wichtige Staatsaufgaben unseres Landes. Da jedoch offenbar das größte
amerikanische Ballett nicht ausreicht, das Interesse des Repräsentantenhauses
unseres großen Vorbildes Amerika zu finden, wurden dort die Tiergärten eine
wichtige Staatsaufgabe, während Theater und Ballett privaten Mäzenen überlassen
blieb.« Trotz dieser manchmal recht scharfen Angriffe und Zurechtweisungen
haben sich die Gegner meiner Zoopläne nicht ein einziges Mal wirklich unfair
verhalten. Ja sie legten mir gegenüber eine erstaunliche Langmut an den Tag.
Der Grund ihrer Ablehnung war nur die Sorge um die hohen Kosten, die durch
einen Zoo auf den Staat zukommen könnten.
Während dieser Auseinandersetzungen,
bei denen jeder recht oder unrecht hatte, je nach Standpunkt, waren körbeweise
Namensvorschläge für die Elefanten eingegangen. Als beste Vorschläge wurden die
Namen Zella und Vilja erkoren, da die Elefantendame Zella um die Jahrhundertwende
jahrzehntelang der Publikumsliebling der Besucher des Nill’schen Tiergartens in
Stuttgart war. Außerdem beherbergte der spätere Zoo auf der Doggenburg eine
Elefantenkuh, die der musikbegeisterte Besitzer Vilja nannte. Damit war eine
gewisse Verbindung mit den früheren Stuttgarter Zoos hergestellt. Bei der Taufe
selbst verhielt sich die Gattin des Finanzministers ausgesprochen tapfer, denn
es ist keine Kleinigkeit, zwei derartigen Kolossen, auch wenn es sich noch um
Jungtiere handelte, als Patin gegenüberzustehen.
Speiseeis ist nichts
für Antilopen
Dank der Erhöhung der Eintrittsgelder
waren wir so flüssig wie noch nie, so daß ich das erstemal seit der
Währungsreform keine finanziellen Sorgen für die Wilhelma hatte. Dafür stellte
sich anderer Kummer ein. Die Mufflons wollten einfach nicht durchhaaren, so daß
während des ganzen Sommers das Winterkleid klumpig an ihnen hing. Wir standen
ebenso vor einem Rätsel wie der Tierarzt. Als die Schafe ihr Gehege an die
Nilgauantilopen abgeben mußten, ging der Wechsel von Sommer- und Winterfell
plötzlich anstandslos vonstatten. Dafür hatten wir beim Haarwechsel der
Antilopen Schwierigkeiten. Dadurch wurde die Sache noch mysteriöser. Endlich
kamen wir dahinter, daß unvernünftige Besucher am benachbarten Eisstand
Speiseeis kauften und es den Tieren verfütterten. Darauf hob ich den Eisverkauf
in der Wilhelma auf, und der alljährliche Haarwechsel machte keinerlei
Schwierigkeiten mehr.
Was die wissenschaftliche Seite der
Tiergärtnerei
Weitere Kostenlose Bücher