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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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war auch der festen Überzeugung, daß es
nun bald mit der Erweiterung und den entsprechenden Bauten losgehen würde.
Deshalb beugte ich mich auch gerne der Forderung, den Tierbestand vorerst nicht
zu vermehren. Ich wurde auch aufgefordert, umgehend eine Liste des
Tierbestandes aufzustellen und dem Minister zu übergeben. Eine solche
Bestandsliste sollte in Zukunft jährlich vorgelegt werden. Die Herren im
Ministerium hielten es offensichtlich für angebracht, mir gewisse Zügel
anzulegen.
    Bei der Aufstellung dieser Liste kamen
uns doch gewisse Zweifel, ob wir durch sie nicht etwas zu sehr in unseren
Absichten behindert würden. Vorsichtshalber nahmen wir deshalb sämtliche
Futtertiere gleichfalls auf, allerdings ohne sie als solche zu kennzeichnen.
Wir brachten dadurch einen wirklich beachtlichen Tierbestand zusammen, im
Vergleich zur Eröffnungsbilanz hatte er sich beinahe verdoppelt. So konnten wir
auch in den folgenden Jahren unsere Tierkäufe in vernünftigem Rahmen
fortsetzen, denn wir hatten ja genug Kaninchen, Mäuse, Ratten und Fische, die
wir durch Schimpansen, Orang-Utans, Gorillas und viele andere Tiere ersetzen
konnten. Das ging natürlich nur eine Zeitlang gut, dann fiel es doch auf, daß
immer neue Tiererwerbungen in der Presse mitgeteilt wurden. »Jetzt hat dieser
Schöchle wieder einmal ein Kaninchen durch einen Löwen ersetzt«, wurde
allmählich das geflügelte Wort im Ministerium. Besondere Spaßvögel ergänzten
diesen Satz noch mit den Worten, »und der bisherige Stelleninhaber war seine
erste Mahlzeit«.
    Als wir die Erweiterung des Zoos in
Angriff nahmen, mußte ich erst einmal die beauftragten Architekten mit den
Forderungen vertraut machen, die an ein Tierhaus gestellt werden müssen. Denn
es gibt wohl Spezialisten für Industriebauten, Kliniken, Schulen und
Wohnblöcke, aber keine Spezialisten für Zootierhäuser, dazu werden zu wenige
gebaut. So wurden in ganz Westdeutschland seit 1939 nur fünf große
Raubtierhäuser neu erstellt, das bedeutet alle acht Jahre eines. Mit anderen
Großtierhäusern sieht es nicht besser aus. Wenn man aber bedenkt, wie sehr sich
inzwischen unsere Vorstellungen in der Tiergärtnerei aufgrund der Erkenntnisse
der Verhaltensforschung und der Hygiene geändert haben, kann man bereits einen
Teil dieser Häuser schon wieder als veraltet bezeichnen.
    Es blieb mir deshalb nichts anderes
übrig, als mit den jeweiligen, für diese Planungen vorgesehenen Architekten
Rundfahrten durch möglichst viele Zoos zu machen und ihnen an einzelnen Bauten
die Vor- und Nachteile zu demonstrieren.
    Besonders aufgeschlossen zeigte sich
ein junger Bauassessor namens Fecker. Dank seiner Fähigkeit, das Kernproblem zu
erfassen, erarbeitete er eine gute Grundkonzeption. Allerdings konnte ihn die
Wilhelma nicht lange behalten. Er wurde zum Finanzministerium versetzt, wo er
noch heute als höchster Baubeamter ein wohlwollender Freund der Wilhelma ist.
     
     
     

Ein Hahn legt Eier
und andere Dressurakte
     
     
    Bei den Neuerwerbungen in diesen Jahren
achteten wir streng darauf, nur Tiere zu erwerben, für die wir eine Unterkunft fanden,
die das Gesamtbild der Wilhelma nicht störte. Ein gutes Beispiel dafür sind die
Seehunde, die wir in einem kleinen Teich im Magnoliengarten unterbrachten. Rund
um eine kleine Insel inmitten des Sees konnten sie endlose Strecken schwimmen.
Um ein Tierhaus zu vermeiden, gruben wir für die Riesenschildkröten Heizplatten
in den Sand, die von den Tieren in der Nacht gerne als Schlafplatz benutzt
werden.
    Besonders viel Freude machten vor allem
den Kindern die Panda genannten Katzenbären und Präriehunde. Auch für sie fand
sich noch eine Ecke an der Wand des Wandelganges längs des Neckars. Da dieser Wandelgang
unterkellert war, konnten wir den Panda einen Nachtstall bieten. Diese Ecke
zeigte sich überhaupt sehr ergiebig, so konnten wir hier ein ganzes Tierhaus an
dem ehemaligen Grenzgehölz des Theatergartens bauen. Hier brachten wir
Helmkasuar, Emu und Tapire unter und in ihrer Nachbarschaft Wildschweine und
vietnamesische Hängebauchschweine.
    Die Hängebauchschweine hatten wir vom
Ostberliner Tierpark erhalten. Sie erwiesen sich als ungewöhnlich zuchtfreudig,
und beim Anblick der drolligen Frischlinge ging allen Besuchern das Herz auf.
Mit den Tapiren erlebten wir eine ganz besondere Überraschung. Wir wollten
durch einen Elektrozaun ihr Gehege begrenzen. Während nun andere Tiere, sobald
sie von einem elektrischen Schlag getroffen wurden,

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