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Das Schlitzohr

Das Schlitzohr

Titel: Das Schlitzohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Schöchle
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ein und ist von hohen Bergen umgeben. Deshalb zeigt die
Wasseroberfläche an ruhigen Tagen überhaupt keine Bewegung. Dazu war das Wasser
wunderbar klar, somit zum Tauchen ideal. Ich versuchte deshalb mein Glück. Es
lohnte sich auch wirklich, denn bald sah ich in etwa drei Meter Tiefe
Wachsrosen von einmaliger Größe und Schönheit. Ich bremste ab und wollte zu den
Rosen hinunterstoßen. Da verschwamm plötzlich alles vor meinen Augen. Entsetzt
tauchte ich auf. Sobald ich den Kopf über Wasser hatte, war alles wieder klar,
und ich hatte nicht mehr die geringste Sehstörung. Ich tauchte an einer anderen
Stelle. Auch diesmal kam es zur gleichen Erscheinung, das Wasser war ohne die
geringste Trübung, aber ich konnte nichts erkennen, es war wie verhext.
    Des Rätsels Lösung fand ich, als ich am
Strand entlangging. Hier merkte ich, daß große Mengen Süßwasser aus dem Berg
herausdrangen. Da nun das Meer in dieser Bucht nicht den geringsten
Wellenschlag aufwies, kam es zu einer Überschichtung des schwereren Meerwassers
mit dem leichteren Süßwasser. Durch meine Schwimmbewegungen hatte ich beide
Schichten vermischt und dadurch die gleiche Schlierenbildung hervorgerufen, wie
wenn man Zucker in einer Teetasse auflöst.
    Nach Rovinj zurückgekehrt, verpackten
wir unsere Beute in Plastiksäcke mit Meerwasser, das mit Sauerstoff
angereichert war. Wir wollten die Tiere noch in Jugoslawien in die Bahn
verladen. Das erwies sich als zu schwierig, so daß wir mit unserer Last über
den Wurzenpaß nach Klagenfurt fahren mußten. Da abends der Grenzübergang
geschlossen wurde, mußten wir übernachten und konnten erst um acht Uhr morgens
nach Österreich einreisen. Zu dieser Zeit sollte die Sendung aber bereits in
Stuttgart in den Aquarien sein. Zu unserem Schrecken war schon bis Klagenfurt
die Hälfte der Tiere infolge Sauerstoffmangels eingegangen, wenigstens der Rest
traf wohlbehalten in Stuttgart ein.
    Wir hatten auf dieser Fangfahrt viel
gelernt, und als wir im folgenden Jahr wieder nach Rovinj fuhren, benützten wir
das Aquarium von Triest als Zwischenstation, wo wir die Tiere vor dem Transport
nach Deutschland mit frischem Wasser versehen konnten. Diesmal klappte alles
wesentlich besser, trotzdem erlebte ich wieder eine unangenehme Überraschung.
Wir machten in der Bucht von Bakar wieder Jagd auf die wunderbaren Wachsrosen.
Dabei blieben einige Tentakelköpfchen an meinem Zeigefinger hängen. Als ich das
Mundstück des Atemgeräts zurechtrücken wollte, kamen diese Köpfchen an die
Oberlippe. Daß dies heftige Schmerzen hervorrief, war nicht weiter schlimm,
aber meine Oberlippe schwoll an wie eine Renommierbratwurst, und so mußte ich
total entstellt 14 Tage lang herumlaufen. Weil ein Unglück selten allein kommt,
verletzte sich meine Frau beim Verpacken eines Drachenkopfes an den giftigen
Rückenflossen dieses Fisches. Sie litt unter heftigen Schmerzen, und ihr Arm
blieb 24 Stunden steif, worauf Schmerz und Steifheit ebenso schlagartig wieder
verschwanden wie sie gekommen waren.
    Die nächste Tour an die Adria verband
ich mit einer Einkaufsfahrt nach Italien. Ich hatte vor, der Wilhelma durch
große Mengen von Palmen und Oleander ein ihrem maurischen Baustil
entsprechendes südländisches Gepräge zu geben. Deshalb mußten die gefangenen
Tiere mit der Bahn direkt ab Triest transportiert werden. Als
Transportbegleiter war unser Aquarienpfleger Kurt Kaiser mit von der Partie.
    Der Kampf mit der Bürokratie in Italien
war zum Steinerweichen. Zu meiner Überraschung verlangten die Behörden
Ausfuhrpapiere für Fische. In der veterinärpolizeilichen Dienststelle wurden
wir von einem Beamten befragt, wo wir die Tiere her hätten. Ich antwortete:
»Aus dem Meer.« Auf die etwas eigenartige Frage »wieso« konnte ich nur
antworten, daß das eben der Lieblingsaufenthalt dieser Tiere wäre. Darauf nahm uns
der Schreiber mit zu seinem Vorgesetzten. Dieser war gerade im Begriff, uns
eine Ausfuhrbescheinigung auszustellen, als plötzlich der Stempel in der Luft
hängenblieb. Auf die Frage, wie wir denn die Tiere befördern wollten, erklärte
ich ihm das Verfahren mit den mit Meereswasser gefüllten Plastiktüten. Jetzt
kam ihm ein furchtbarer Verdacht. Ob das tatsächlich richtiges Meerwasser wäre?
Und ob wir nicht wüßten, daß im Meerwasser Salz enthalten wäre? Und ob wir noch
nie gehört hätten, daß die Salzausfuhr vom Monopolamt genehmigt werden müsse?
Ich erklärte mich bereit, das Salzwasser nach Gebrauch über den

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