Das Schlitzohr
zu warten. Das änderte sich aber schlagartig, als bei der
Zoodirektorentagung in Nürnberg der Antrag gestellt wurde, daß sich die
deutschen Zoodirektoren verpflichten sollten, keine Orang-Utans mehr zu kaufen,
um der Ausrottung dieser Tiere Einhalt zu gebieten. Dieser Antrag war bestimmt
sehr löblich und durchaus im Sinne des Naturschutzes, denn wenn diese Tiere
keinen Abnehmer finden, werden sie auch nicht mehr gefangen. Er hatte nur zwei
Schönheitsfehler. Erstens, daß er ausgerechnet von einem Kollegen gestellt
wurde, der über den größten Orang-Utan-Bestand in Deutschland verfügte und
zweitens, daß ein solcher Beschluß völlig wirkungslos war, solange er nur von
ein paar deutschen Zoodirektoren gefaßt wurde. Es kam deshalb zu einem
tragbaren Kompromiß. Wir beschlossen, daß sich die deutschen Zoodirektoren
verpflichten, keine Orang-Utans zu kaufen, falls ein diesbezüglicher Beschluß
ebenfalls von den Mitgliedern des internationalen Verbandes gefaßt wird. Ich
hielt es für richtiger, dafür zu sorgen, daß die Tiere nur in solche Hände
kommen, die Gewähr für eine erfolgreiche Zucht bieten, damit diese
interessanten Tiere vor dem Aussterben bewahrt werden. Meine
Argumentationsgrundlage war folgende: Die Orang-Utans sind in erster Linie
durch die Rodung der Urwälder in ihrer Heimat zum Aussterben verurteilt, und
eine erfolgreiche Nachzucht in den Zoos ist die einzige Überlebenschance für
diese Tiere. Wie richtig meine Einstellung war, zeigt die Tatsache, daß
inzwischen in der Wilhelma 14 Orang-Utans geboren wurden, mit denen zahlreiche
zoologische Gärten versorgt werden konnten.
Ich verließ den Kongreß vorzeitig und
war einen Tag später mit unserem Vertragstierarzt auf der Fahrt nach Holland.
Dort wollten wir Orang-Utans untersuchen und, wenn sie gesund sind, kaufen. In
Tilburg fanden wir dann auch zwei Orang-Utan-Paare, die uns sehr zusagten und
vollkommen gesund waren. Lediglich das eine Männchen war sehr mager und nicht
besonders kräftig. Da der Händler die Gruppe nicht zerreißen wollte, nahmen wir
den Schwächling mehr aus Mitleid mit. Außerdem, so glaubten wir, war eine
Reserve ganz gut, falls dem anderen Mann etwas zustoßen und inzwischen der
Beschluß, keine Orang-Utans mehr zu kaufen, realisiert werden sollte.
Diese Fahrt und der rasche Kauf hatten
sich zweifach gelohnt. Zwei Tage später war der Nürnberger Beschluß
durchgesickert und die Preise zogen gewaltig an, weil sich alle Zoos noch
eindecken wollten. Aber auch der Kauf des mickrigen Orang-Utans stellte sich
insofern als Erfolg heraus, als ausgerechnet dieser Schwächling der beste
Zucht-Orang in der Wilhelma wurde und schöne Nachwuchstiere brachte.
Auch baulich
war damals eine Menge in der Wilhelma los. Eine schöne Sache war die Planung
und der Bau eines Belegschaftsheimes. Wie schon oben erwähnt, war die Beschaffung
von Arbeitskräften von einer hohen Bezahlung oder von der Bereitstellung von
Wohnraum abhängig. Da wir an die staatliche Besoldung gebunden waren, die sich
damals nicht gerade durch üppige Dotierung auszeichnete, konnten wir damit
wirklich nur Idealisten ködern. Auch diese wollten am Abend das müde Haupt
irgendwohin legen. Deshalb war das Wohnraumproblem immer dringender geworden.
Die Wohnungen in der Wilhelma hatten auch den großen Vorteil, daß im
Katastrophenfall stets genügend Kräfte zur Hand waren, sei es bei plötzlichen
Kälteeinbrüchen, Sturm oder Hagel oder bei irgendwelchen Schwierigkeiten in der
Tierpflege. So war es besonders glücklich, daß ich meinem Vertreter Dr.
Neugebauer hier eine Wohnung anbieten konnte. Auch für unseren hauptamtlichen Tierarzt
war gleichfalls die Möglichkeit geboten, im Betrieb zu wohnen und damit ständig
erreichbar zu sein. Als wir die Tierarztstelle ausgeschrieben hatten, war unter
den Bewerbern auch ein Mann, der jahrelang Assistent am Institut für
Tierheilkunde in Hannover gewesen war und jetzt in der Industrie einen
hochbezahlten Posten einnahm. Bei der Lektüre seiner Bewerbung lief mir
förmlich das Wasser im Munde zusammen. Nur fürchtete ich, daß wir diesem
Bewerber nicht genug bieten könnten. Trotzdem lud ich ihn zur persönlichen
Vorstellung ein. Doktor Reichel war von dem gebotenen Tätigkeitsgebiet und der
Aussicht, von der Schreibtischtätigkeit bei der Industrie wegzukommen, restlos
begeistert. Er nahm es sogar ohne weiteres in Kauf, eine erhebliche finanzielle
Einbuße zu erleiden, denn mit Industriegehältern konnten wir
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