Das Schloss am See: Mittsommerherzen (German Edition)
„Und? Was ist mit ihm?“
„Fredrik hat … nun, man könnte sagen, dass er eine … eher unorthodoxe Laufbahn eingeschlagen hat. An der Uni entdeckte er sein Talent zum Fälschen von Unterschriften, und …“
Lisbet hob eine Hand. „Willst du damit sagen, dieser Ljung ist kriminell?“ Sie schüttelte den Kopf. „Damit will ich nichts zu tun haben, Lars.“
„Aber überleg doch mal! Es wäre die Lösung all deiner Probleme. Du brauchst doch nur ein Dokument, in dem Hilda dir die Nutzungsrechte für das Schloss zusichert – das ist nicht schwer. Und Hildas Unterschrift würde Fredrik Ljung dann daruntersetzen. Du weißt genau, dass sie gewollt hätte, dass du auf Beringholm Slott bleibst, Lisbet. Es wäre so einfach …“
Kurz, ganz kurz, dachte Lisbet über seinen Vorschlag nach. Was Lars da beschrieb, klang tatsächlich kinderleicht. Doch es fühlte sich falsch an. Die Versuchung war da, ja, und sie war stark, doch Lisbet gab ihr nicht nach.
„Nein, Lars, das kann ich nicht machen“, sagte sie daher bestimmt. „Ich bin vielleicht verzweifelt, aber nicht
so
verzweifelt, dass ich bereit bin, meine Prinzipien dafür zu verraten.“ Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. „Ich weiß nicht, warum Hilda sich entschieden hat, das Schloss ihrem Großneffen zu vermachen, aber ich werde mich nicht einfach über ihren Willen hinwegsetzen. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss zurück zum Schloss – die Kinder warten bestimmt schon.“
Er zuckte mit den Schultern. „Du weißt, wo du mich findest, solltest du es dir doch noch anders überlegen.“
„Das wird nicht passieren“, entgegnete Lisbet energisch. Aber würde sie immer noch so konsequent sein, wenn alle Versuche, Hannes umzustimmen, erfolglos blieben?
Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, konnte sie diese Frage nicht mit einem klaren Ja beantworten.
Der Besuch an Hildas Grab und das Gespräch mit Lars hatten sie länger aufgehalten als beabsichtigt. So blieb ihr auch keine Zeit, groß über Lars’ Worte nachzugrübeln – und das war ihr nur recht.
Die Kinder trafen jetzt, während der Sommerferien, oft schon gegen elf Uhr ein. Und die Kirchturmglocke schlug bereits zwölf, als Lisbet auf ihr klappriges altes Fahrrad stieg und in Richtung Beringholm Slott radelte.
Sie trat in die Pedale, so fest sie konnte, doch der Weg schien sich ewig hinzuziehen. Natürlich wusste sie, dass sie sich im Grunde nicht zu sorgen brauchte. Aleksandra war für ihre fünfzehn Jahre manchmal schon übertrieben vernünftig und zuverlässig, sie würde sich um die Jüngeren kümmern. Trotzdem fühlte Lisbet sich unbehaglich bei dem Gedanken, dass die Kinder ganz auf sich gestellt waren.
Besonders, nachdem diese Motorradrowdys wieder aufgetaucht waren.
Zu Lisbets Erleichterung lag Beringholm Slott friedlich da, als sie das Wäldchen hinter sich ließ. Wusste ich doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, Aleksandra, dachte sie lächelnd. Doch als sie kurz darauf durch das Brückentor fuhr, erlebte sie eine Überraschung.
„Bravo, Jenny, toll gefangen!“, hörte sie Hannes rufen, der neben einem improvisierten, mit Kreide auf den Boden aufgezeichneten Spielfeld stand. „Jetzt kannst du einen Spieler der anderen Mannschaft abwerfen.“
Die zehnjährige Jenny Rödgård, die nach einem Unfall im Rollstuhl saß und erst seit knapp zwei Wochen nach Beringholm Slott kam, wirkte stets ein wenig bedrückt und ängstlich. Jetzt aber strahlte sie über das ganze Gesicht, hob den gelben Softball hoch über den Kopf, zielte und warf.
Kristina wurde an der Hüfte getroffen, und Lisbet rechnete mit Geschrei und Tränen, denn das Mädchen mit Downsyndrom fühlte sich schnell ausgegrenzt. Doch stattdessen quietschte Kristina vor Vergnügen und lief sogleich auf die andere Seite des Spielfelds, wo sie hinter der Markierungslinie stehen blieb. Dort standen auch Aleksandra und der kleine Gabriel, dessen linker Arm aufgrund eines Geburtsfehlers vom Ellbogen bis zur Hand deformiert war.
Er bemerkte Lisbet, die das Schauspiel fasziniert und erstaunt betrachtete, zuerst.
„Lisbet!“, rief er, die Wangen vor Begeisterung gerötet. „Hannes hat uns ein Spiel beigebracht, das die Kinder in Deutschland spielen – es heißt Völkerball und macht total viel Spaß!“
„Dann macht nur weiter – aber vergesst mir dabei nicht, die Tiere zu versorgen, ja?“
„Längst erledigt!“, erklärte Aleksandra mit würdevoller Miene. „Hannes hat mir geholfen, die Ställe
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