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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

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Autoren: Wilhelm Teufel
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neulich in einem Brief hieß.«
     
    Am Jahresschluß ließ der
Inspektor noch einmal die Arbeit, die Feste, die Freuden des Jahres an sich
vorüberziehen. Unwillkürlich fiel ihm das Sedanfest ein.
    Sedanfest in Stetten? Ach, in
seiner Jugend hatte man »Räuberles« und »Indianerles« gespielt, und jetzt
spielte man »Soldäterles«. Man spielte ja nur.
    Das Schönste waren auch hier
die Vorbereitungen. Wie sie schufteten in ihren Werkstätten, die Schneider und
Schuster, Buchbinder und Schreiner, bis die Uniformen alle fertig waren und die
Waffen aus Holz! Und wie sie das Marschieren übten und gehorsam den Befehlen
ihrer Offiziere folgten! Die Pfleger machten die Offiziere, damit ja alles wie
am Schnürchen und vor allem ohne Blutvergießen ablief. Und was den Gehorsam
betraf, der ihnen sonst so schwer fiel: hier ging alles spielend. Und wenn sie
erst Uniformen anhatten mit den Helmen aus Pappedeckel! Auch wenn der Ausgang
der Schlacht von vornherein feststand, so kämpften die Franzosen doch nicht
weniger tapfer als die Deutschen. Die großen Wiesenflächen des Parkes waren wie
geschaffen als Schlachtfeld und die alten Eichen und Buchen mit ihrem
geheimnisvollen Dunkel als Versteck. Da konnten die Patrouillen
heranschleichen, plötzlich schwärmten Schützenlinien aus, die schwere
Artillerie trat in Form von alten Fässern in Tätigkeit und machte kräftig
»Bumbum«, das Rote Kreuz, mit Armbinden versehen, stürzte sich auf die
»Blessierten« und legte Verbände an Köpfe, Arme und Füße, Sanitätssoldaten
trugen die Verwundeten, die verschmitzt die Zuschauer anlächelten, vom
Kampfplatz. Hin und her wogte der Kampf, ein Widerstandsnest nach dem anderen
wurde mit gewaltigem Hurra genommen, Trompetensignale schallten, die Flanken
der französischen Truppen wurden mit frischen, auf Schleichwegen
herangeführten, Truppen umfaßt und schließlich nach Sedan hineingeworfen,
nämlich in das Rondell mitten im Park! Was blieb den Franzosen anderes übrig,
als die weiße Fahne zu schwenken! Die Parlamentäre gingen, mit weißen
Taschentüchern winkend, aufeinander zu, in ihrer Begleitung die Generale Moltke
und Wimpffen. Die Kapitulationsverhandlungen verliefen rasch zu aller
Zufriedenheit, die französische Armee streckte die Waffen und wurde gefangen
abgeführt. Niemandem wurde ein Haar gekrümmt, im Gegenteil: Durch Vermittlung
des Roten Kreuzes kamen die »Siegerbrezeln« auch den Besiegten zugute, die
Verwundeten wurden nicht vergessen, und der Kampf endete mit einer allgemeinen
Völkerverbrüderung. Auf Schloß Bellevue, wozu wiederum das Rondell diente, fand
die »geheime« Unterredung der beiden Kaiser statt, aber hier waren sie umringt
von den beiderseitigen Truppen und dem ganzen großen Kreis der
Schlachtenbummler. Unter lautem Beifall endigte sie damit, daß die beiden
Monarchen sich um den Hals fielen und sich ewigen Frieden und Freundschaft
gelobten.
    So wurde im Park von Stetten
die Schlacht von Sedan zu einem für alle befriedigenden Ende gebracht. Der
Posaunenchor spielte »Nun danket alle Gott«. Eine wohlhabende Kranke stiftete
jedes Jahr an diesem Abend ein großartiges Feuerwerk mit bengalischer
Beleuchtung, das die Bäume des Parks noch einmal in gespenstischer Pracht
aufleuchten ließ.
    »Alles zu seiner Zeit«, sprach
der Pfarrer zu sich selbst, »das bengalische Feuer am Sedanfest und die Lichter
des Christbaums zu Weihnachten«, aber diese waren ihm lieber.
     
    Nicht lange danach kam ein
Brief ins Haus geflogen, in dem eine edle Frau, die nicht genannt sein wollte,
dem Inspektor eine Summe von 20 000 Mark anbot, die die Anstalt bis zu ihrem
Tod billig zu verzinsen habe, die aber nachher in ihren Besitz übergehen solle.
    Nun können wir an den Neubau
gehen, dachte der Inspektor, über den wir schon so oft verhandelt haben und den
wir immer verschieben mußten wegen der leidigen Geldfrage.
    Doch wieder etliche Monate
später wurde der Anstalt ein Anwesen zum Kauf angeboten, auf der Höhe bei Rommelshausen
gelegen, ein Haus, nach Schweizer Art mit einer Veranda ringsherum, mit
herrlicher Aussicht ins Remstal, nur 25 Minuten entfernt.
    In seiner freien und gesunden
Lage war es wie geschaffen für die Ärmsten der Armen, für die unheilbaren
Pfleglinge.
    Das Geld war vorhanden, das
Haus wurde gekauft.
    Der Inspektor atmete auf. Jetzt
konnte sich die Anstalt ausdehnen und ein paar Dutzend Kranke mehr aufnehmen.
Es war auch höchste Zeit, denn in diesem Jahr überstieg die Zahl der
Angemeldeten

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