Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten
wundersame Dinge.
Er hat sich nämlich
vorgenommen, die aus der Anstalt Entlassenen in ihrer Heimat zu besuchen und
sich an Ort und Stelle davon zu überzeugen, ob ihnen die Erziehung in Stetten
gut bekommen ist.
So kehrt er einmal in einem
Dorf auf der Rauhen Alb ein.
Er will den ehemaligen
Pflegling Gottlob besuchen, aber niemand ist zu Hause; offenbar sind alle
draußen auf dem Feld. Weil es aber ein so schöner Tag ist, an dem die Lerchen
jubelnd in den blauen Himmel steigen und über Äckern, Wiesen und Wäldern ein
leichter Sommerdunst liegt, läßt er sich von Kindern den Acker zeigen, wo der
Bauer mit Frau und Sohn arbeitet. Kaum hat der Gottlob den Inspektor erkannt,
als er auch schon die Hacke wegwirft, die schmutzigen Hände an den Hosen
abwischt und dem Inspektor entgegenläuft. Schon von weitem ruft er:
»Ja, ka des sei, Herr
Inschbekter, Sie bsuchet mi? Ha, des isch aber fei!«
Bei ihm angekommen, nimmt er
seine Hand, hält sie fest und ruft voll Eifer zurück: »Des isch onser
Inschbekter von Stetten, i gang mit ‘m hoim.« Und zum Besuch gewandt, sagt er:
»Kommet Se no, Herr Inschbektor, i zoig Ihne älles.«
Er geht mit ins Dorf zurück und
erzählt ihm unterwegs, wie es ihm ergangen ist, seit er wieder daheim ist. Der
Inspektor hört zu und freut sich, daß sein ehemaliger Schützling so munter und
guter Dinge ist. Der führt ihn in den elterlichen Garten, wo die Bank steht,
auf der er bei gutem Wetter im Freien arbeitet. Er hat ja in der Anstalt das
Korbmachen gelernt, und wie gut! Er hat einen schönen Weidenvorrat im Kalkloch
und noch dazu in einer Kufe. Dann bringt er sein Heft, in dem er alle Arbeiten,
die er angefertigt hat, verzeichnet, samt dem Geld, das er dafür eingenommen
hat. Sogar ein Christbaumgärtchen ist darunter. Da weiß man nicht, wessen
Freude größer ist, die des Korbmachers oder die des Inspektors!
Später kommt die Mutter nach.
Sie will dem Herrn Inspektor ein Vesper richten, aber er lehnt ab, weil er es
eilig hat. Doch die Mutter sagt:
»O Herr Inspektor, des könnet
Se gut annehme, wir könnet Ehne ja gar net gnug danke!«
Und wenn der Herr Inspektor auch
erwidert, er könne nichts dafür, und sie solle dem lieben Gott im Himmel danken
— sie läßt sich nicht drausbringen und antwortet treuherzig:
»Des demmer jeden Tag sowieso!«
Und schon liegt der Brotlaib
auf dem Tisch, ein Stück Butter dazu, ein Glas Most steht da, und er muß
zugreifen, ob er will oder nicht. Und dann erzählt sie, wie der Gottlob immer
ihr Sorgenkind gewesen sei und wieviel Freude er ihnen jetzt mache, er sei ja
so fleißig, daß sie ihn oft anhalten müsse, Feierabend zu machen. Und sie fährt
ihrem Gottlob liebevoll übers Haar und über sein einfältiges Gesicht geht ein
Leuchten.
Nachher begleitet der Gottlob
seinen »Inschbekter« ein Stück. Unterwegs zeigt er ihm die Wiese, die ihm
gehört. Er ist ja über 25 Jahre alt.
»Jo«, sagt er, »früher, do hent
mi d’ Leut verachtet ond i bi ‘s Dackele gwea für älle, aber jetzt verachtet se
me nemme. I ka sogar meim Vatter a Koschtgeld zahle, ond ‘sbleibt oineweg für
mi no viel übrig!«
Dabei strahlt er den Inspektor
an, daß dieser ihm zum Abschied ganz gerührt die Hand schüttelt:
»So, Gottlob, mach nur so
weiter, dann wird dir der Segen Gottes nicht fehlen.«
Aber der Gottlob hat ihm noch
viele Grüße aufzutragen an die ganze Anstalt »ond bsonders ans Fraile Gertrud,
die immer wie a Mutter zu mir gwä isch. Ond auch Ehne noch amol Vergelt’s Gott
für alles. I bin gern en Steta gwä ond han viel glernt, aber jetzt ben i halt
froh, daß i drhoim be ond schaffe ka.«
Dann geht er zurück, und ehe
sein Weg in der Mulde verschwindet, dreht er sich noch einmal um und winkt. Der
Inspektor winkt auch und denkt, was für ein glücklicher Mensch dieser Gottlob
geworden und daß ein einziger solcher Mensch Lohn genug für alle Arbeit sei.
Nicht lange danach brachte der Geldbriefträger
dem Inspektor eine Spende für die Anstalt. Sie stammte aus dem Dorf, wo Gottlob
zu Hause war, und der Pfarrer schrieb dazu, dieser habe ihm zehn Mark für
Stetten gebracht und gefragt, ob die anderen Leute im Dorf nicht auch einmal
etwas für Stetten geben könnten. Er, der Pfarrer, habe daraufhin dem
Kirchengemeinderat vorgeschlagen, ein besonderes Opfer für Stetten zu
bewilligen. Der habe das um so lieber getan, als der Gottlob ein Beweis dafür
sei, wieviel Nutzen die Gemeinde von Stetten habe, denn solche Leute fielen ja
sonst der
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