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Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten

Titel: Das Schloß der Barmherzigkeit - Geschichte und Auftrag der Anstalt Stetten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Teufel
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fein und lieblich
ist es, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen«, die Männer riefen sich in
lakonischer Kürze zu: »Seid männlich und seid stark«, die Schneider hatten ihre
Werkstatt mit dem Spruch verziert: »Mit em Alte ka mer’s Nui verhalte«, die
Buchbinder priesen ihre schöpferischen Fähigkeiten: »Mir Buechbinder machet
äbbe älles nui«. So kamen Humor und Ernst zu ihrem Recht, und wer einen Rundgang
durch die Häuser machte, merkte, daß die Menschen hier trotz ihrem schweren
Schicksal lachen konnten.
    Auch eine regelrechte
»Ausstellung« war zu sehen: Zeichnungen und Gemälde, in denen die Kinder ihrer
Phantasie freien Spielraum gelassen hatten, Flechtarbeiten in allen Farben und
Formen, Handarbeiten der Mädchen, gestrickt, gehäkelt und gestickt, schöne
Dosen, Teller und Schalen in Kerbschnitzerei, sauber gebundene Bücher aus der
Werkstatt der Buchbinder, große und kleine Körbe aus der der Korbmacher, allerlei
Möbel, von Drehern und Schreinern kunstvoll gefertigt.
    Die Besucher staunten über die
Geschicklichkeit der Kranken und Kinder und kauften gern, so daß, ehe man
sich’s versah, die Tische sich leerten und die Silberund Goldstücke sich
häuften. Einer von den Korbmachern sagte, es sei nur schade, daß sie nicht noch
mehr Körbe geflochten hätten, sie könnten ganz Württemberg damit versorgen.
    Manchen blieb die Morgenandacht
in der festlich geschmückten Kirche als das Schönste vom ganzen Tag in
Erinnerung. Der frühere Inspektor Schall rief der großen Anstaltsgemeinde mit
den Worten aus Psalm 100 zu: »Dienet dem Herrn mit Freuden; kommt vor sein
Angesicht mit Frohlocken!« Seine Rede machte einen solchen Eindruck auf alt und
jung, daß einer der Knaben nach Hause schrieb, so eine ergreifende Predigt habe
er in seinem ganzen Leben noch nicht gehört.
    In der geschmückten Turnhalle
fand der feierliche Festakt statt. Kirche und Staat hatten Vertreter entsandt, die
ihren Dank und ihre Anerkennung zum Ausdruck brachten. Auch die Söhne und
Töchter Dr. Müllers, des Gründers der Anstalt, und die achtzigjährige Witwe
Landenbergers waren zugegen.
    Am Nachmittag war unter dem
sonnigen Maienhimmel eine froh bewegte Gemeinde aus nah und fern im Schatten
der mächtigen Bäume des Parks versammelt.
    Hier erzählte Pfarrer Schall
den andächtig lauschenden Zuhörern die Geschichte vom Erzvater Jakob, der einst
auf Gottes Geheiß ausgezogen war, um in Bethel sich ein Heim und Gott einen
Altar zu bauen. So sei es auch mit Stetten gewesen, und viele, viele hätten
mitgeholfen, daß das Heim trotz allen Nöten und Schwierigkeiten geschaffen
werden konnte. Er erzählte von der Hungersnot in den 50er Jahren und wie da aus
dem ganzen schwäbischen Land Gaben verschiedenster Art, denen man oft die
kindliche Treuherzigkeit der Geber angemerkt habe, nach Stetten gekommen seien,
etwa eine Schüssel Mehl, ein kleiner Tuchrest, ein Taschentuch, ein eisernes
Schäufelchen, ein Krug mit Most, ein Korb Kartoffeln, etwas Erbsen, eine
Schachtel mit Nüssen. Manche hätten in all den Jahren aus reiner Dankbarkeit
etwas gespendet. So habe ein Vater fünf Gulden geschenkt, weil ihn der liebe
Gott mit leiblich und geistig gesunden Kindern gesegnet habe. Ein Kaufmann habe
zwei Gulden und 18 Kreuzer, die er von einem Kunden zuviel erhalten,
schleunigst nach Stetten geschickt, Eltern hätten die Anstalt um Fürbitte für
ein schwachsinniges Kind, das bei ihnen lebte, gebeten und dafür etwas gegeben.
Eines Tages habe man sogar ein hilfsbedürftiges Kind in einem
Weingärtner-Tragkorb nach Stetten gebracht, und als die Herzogin Henriette
davon gehört, habe sie das Kostgeld für das elternlose Kind übernommen.
    Anderntags versammelte sich die
Anstalt auf dem »Kernen«, dem nahen Berg mit der herrlichen Aussicht. Hier
wurde mit Spielen, Gesängen und Gedichten das unvergeßliche Fest beschlossen,
über dem die Maiensonne zwei Tage lang vom Morgen bis zum Abend geleuchtet
hatte.
     
    Aber Inspektor Strebel, den der
König anläßlich des Jubiläums zum Schulrat ernannt hatte, verstand nicht nur,
Feste zu feiern. Er sah, was der Anstalt nottat, wenn sie an ihren Kindern
alles tun wollte, was sie ihnen schuldig war. Er wollte nicht auf seinen
Lorbeeren ausruhen, sondern packte neue und wichtige Aufgaben an.
    Dazu gehörte der dringend
notwendig gewordene Bau eines Verwaltungsgebäudes.
    Aber wichtiger noch war dem
Schulrat der Bau eines Schulhauses, das Platz genug hätte, um alle Klassen

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